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Die ideologische Überformung der US-Reorientierung
Besatzungszone erarbeitet , um mit den damit zu erzielenden Einnahmen die US-Jugend-
aktivitäten ( AYAA ) in Öster reich mitzufinanzieren. Um keine unnötigen Konflikte zu
provozieren š „to avoid criticism of commercial interest“ š, sollte der Verkauf in Wien
allerdings durch das „Special Service“ haupt sächlich bei Filmvorführungen in Kinos in-
nerhalb der US-Besatzungszone er folgen.2454
Den pragmatisch ausgerichteten US-Demokratisierungs an satz , der auf die handfeste
Überlegenheit des amerikanischen Systems setzte und davon ausging , dass sich die men-
tale Umorientierung quasi unweigerlich über die unübersehbaren materiellen Vorzüge ein-
stellen würde , brachte ein Mann auf den Punkt , der hinsichtlich seiner kulturphilosophi-
schen oder gar idealistischen Motive vergleichs
weise unver
dächtig erscheint. Henry Ford
II., Präsident der Ford Motors Company , hielt am 29. September 1947 vor den Mitgliedern
der Automobil- und Flugzeugteilehersteller in Cleveland einen Vortrag über „Production
for Peace and Freedom“. Dabei sprach Ford von den großen Verwüstungen durch den vor-
hergehenden Welt krieges , und zwar durchaus nicht nur im materiellen Bereich :
“It is not merely things which have been destroyed. The landscape is littered with wrecked ideas
and faith [ … ]. Perhaps the greatest havoc has been wrought in the spirit of man.”2455 [ Unter-
streichung im Original ]
Im Hinblick auf die zu ergreifenden Maßnahmen für einen raschen wirtschaftlichen Wie-
deraufbau
š „um eine bessere Welt zu schaffen“
š, merkte Ford allerdings leicht entmutigt
an , dass „viele Länder anscheinend die Verbindung zwischen „America’s all-out ability
to produce“ und dem amerikanischen Systems der „freedom-plus-opportunity“2456 noch
nicht ganz begriffen hätten
š dies , obwohl Amerika weltweit und vor allem gegenüber dem
Kommunismus bisher klar gezeigt habe , „that the greatest and most resourceful dynamo is
a free man
š still the best gamble in history.“2457
Die demokratische Überlegenheit des amerikanischen Modells im Hinblick auf individuel-
le Freiheit und Lebensgestaltung
š im Wesentlichen also den ‚Teller wäscher-zum-Milliardär‘-
Mythos
š übersetzte Ford in eine leicht nachvoll
ziehbare Relations
größe : „If a Russian wants
a bottle of beer , he has to work eight hours to get it. An American works ten minutes.“2458
Ford erläuterte seine Sicht der amerikanischen „Freiheit“ in Abgrenzung zur Rassen-
doktrin des Nationalsozialismus , wobei er ‚kulturellen‘ Fortschritt haupt säch lich in Begrif-
fen naturwissenschaftlicher und technisch-ökonomischer Lei
stungs fähigkeit deutete : der
2454 NARA II , RG 260 , Youth Activities , Box 1. R. L. Novarine , Public Welfare Branch , Headquarters Zone
Command Austria US Army , to Col. H. C. Dellert , Chief Civil Affairs , 2. März 1949 , 1.
2455 NARA II , RG 165 , Box 326. Henry Ford II , Production für Peace and Freedom , 29. September 1947 , 5.
2456 Ebd.
2457 Ebd., 6.
2458 Ebd., 7.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741