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Die ideologische Überformung der US-Reorientierung
Um die materielle Überlegenheit ( gegenüber Russland ) und dem daraus resultierenden
Nutzen für die individuellen Arbeits- und Lebensmöglichkeiten glaubhaft zu untermauern ,
wurde in Schriften ziviler Reorientierungs-Experten , die sich bereits auf der Basis des „war
of ideas“ bewegten , auch Statements externer Experten propagandistisch verwertet – so
zitierte die „United States Advisory Commission on Education Exchange“ die Aussage ei-
nes leitenden europäischen Gewerkschafts funktionärs , der sich eine Zeit lang in den USA
aufgehalten und sich dabei ein Bild von den Gegeben heiten gemacht hatte :
“I don’t speak a word of English – everything I know about the United States , I saw with my
own eyes. We have seen pictures of American factories with large groups of automobiles along
the side. The Russians told us that these were false pictures , that they were not true. While
in the United States , we have seen such factories and , even more convincing , we have talked
( through interpreters ) with the workers who own these cars.”2463
Dementsprechend bildete die positive Selbstzeichnung der politisch-wirtschaftlichen
Hilfe stellung der USA , also die Verknüpfung von Wohlstand und wirt schaftlicher Sicher-
heit durch die Marshallplan-Hilfe ein zentrales Element der affichierten US-Plakate in
Österreich.2464
Obwohl die für die US-Kulturoffensive einbezogenen Einrichtungen und Personen
des privat organisierten , philanthropischen Gesellschaftsbereiches primär auf die hu-
manistisch-friedliebenden Aspekte einer kulturellen Reorientierung der europäi schen
Nachkriegs gesellschaften setzten – wie das noch in einem von US-College-Lehrern an
Präsident Truman im Jänner 1948 gerichteten Brief hervor geht2465 – lieferten die strategi-
schen Planungen des Kalten Krieges in diesem Bereich längst die zentralen Grundlagen
für Inhalt und Ausrichtung der aktuellen und künftigen Aktivitäten.
Mit dem ab 1947 voll ausbrechenden Kalten Krieg , der umgehenden Remilitarisierung
und der Schwerpunktverlagerung der Reorientation-Programme auf den Fokus antikom-
munistischer Propaganda und Abwehr , verengte sich die grundsätzlich „demokratische
Perspektive“ der Reorientierung
– die ursprünglichen Konzepte und die Arbeit der ausfüh-
renden Stellen waren ja , wie gezeigt , durchaus als ernsthafte friedensichernde Rekultura-
lisierung-Maßnahmen gedacht – allerdings zum Teil auf die pro-westliche Kooperations-
bereitschaft in wirtschaftlichen und militärischen Angelegenheiten.
Mit der Direktive SWNCC 304 / 1 wurde am 30. April 1947 schließlich ein eigenes
„Subcommittee on ‚Psychological Warfare‘ “ innerhalb des State-War-Navy-coordina ting
2463 Zit. nach : Trading Ideas with the World , a. a. O., 1.
2464 Vgl. Krienzer , Strategien der Propaganda im frühen Kalten Krieg , a. a. O., 99.
2465 Diese betrachteten die im Anlaufen befindlichen Cultural-Exchange Program me geradezu als einen
Grundstein für eine Weltfriedensordnung ( „foundation of world peace“ ). Vgl. Ninkovitch , The diplo-
macy of ideas , a. a. O., 129.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741