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Die ideologische Überformung der US-Reorientierung
Eine Studie , die übrigens
– wie eine zweite mit dem Titel „The Order of Urgence of Ad-
aptions“ [ 1948 ]
– dem US-Botschaftssekretär in Wien , Martin F. Herz , der zuvor als Major
Mitarbeiter der SHAEF-Psychological Warfare Division eingesetzt war , zur inhaltlichen
Beurteilung vorgelegt wurde. „I am extremely interested in participating in real psychologi-
cal warfare planning and that I will always be only too glad to analyze any papers you may
have on the subject“ strich der PW-Spezialist Herz in seiner Replik heraus und fügte an ,
dass die Studie interessante psychologische Probleme aufwerfen würde , die sie jedoch , so
Herz , nicht weiter ausführte : so etwa die Frage , ob im Fall einer kommunistischen Terror-
Kampagne mit Gegen-Terror geantwortet werden sollte.
Wie tief sich die brutale Sachzwanglogik des Kalten Kriegs bereits vier Jahre nach
Kriegsende selbst in intellektuelle Diplomatenköpfe eingegraben hatte , dokumentiert der
knappe Wortlaut der folgende Aussage von Herz im Original : „The immediate shooting ,
out of hand , of a large number of selected Communist leaders would in my opinion , if
attended by sufficient publicity , have most salutary effect in the event of an uprising.“2480
Die oben zitierte zweite Studie der Special Warfare Division , die sich , wenn auch äußerst
abstrakt , mit dem Fallbeispiel Frankreich beschäftigte , ging noch einen Schritt weiter. Mit
einem Seitenhieb auf die Haltung amerikanischer Liberaler , wurde zunächst negativ ver-
merkt , dass Frankreich in den letzten Jahren die Verbreitung liberaler Ideen toleriert habe :
“There has been a ‘non-war’ psychosis ; a desire to return to the ‘simple life’ , such as one finds in
the attitude of WALLACE [ der links-liberale Präsidentschafts
gegenkandidat Henry Wallace ,
d. Verf. ]. This sort of attitude is popular in France , and therefore this attitude must strongly be
opposed and thoroughly denounced.”2481 [ Versalien im Orig., d. Verf. ]
Darüber hinaus wurden in diesem Report ausdrücklich Pläne „offensiver Aktionen hinter
dem Eisernen Vorhang“ als Politik eines „Angriffs von hinten“ ( „from the rear“ ) skizziert :
„It is by use of a policy of attacking from the rear , by the use of a psychosis of non-collabo-
ration , by waking the people up as to what is really happening , by sorting them , and develo-
ping an acute sense of nationalism that behind the Iron Curtain a climate of insecurity can
be built up. This psychosis of doubt and general insecurity will be prelude of the collapse
of the Soviet conquests.“2482
2480 Comments on „The Order of Urgence if Adaptions“ and „Instantaneous War“ [ 1949 ] , by Major Martin
F. Herz. NARA II , RG 319 , 279 / 18 / 19 / 1 , Box 05 [ Entry 338 ].
2481 Bleeker Dee , The Order of Urgence if Adaptions [ Nov. 1948 ] NARA II , RG 319 , 279 / 18 / 19 / 1 , Box 05
[ Entry 338 ].
2482 Bleeker Dee , The Order of Urgence if Adaptions , a. a. O., 26. Und weiter : „Without being lured by sepa-
ratist movements [ national communism ] a precise course must be shown , utilizing the exiled national
leaders. This will take the form of clandestine activity , and those involved must accept the risks of activity
of this nature. These national action groups located behind the Iron Curtain , and will be under the aegis
of the West [ … ].“ Ebd.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741