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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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besagtem Memorandum daher die Empfehlung ausgesprochen , sich möglichst auf „indi-
rekte Propaganda“ zu beschränken : „The tremendous ‚captive‘ audience might well be lost
for all practical purpose if there is any confusion on our part about the indirect nature of
the Information Center mission.“2503
Wie diese „indirekte Natur“ der hier zu betreibenden Propaganda zu verstehen war ,
wurde anhand eines Beispiels illustriert. Ausgehend vom aktuellen Erfordernis , kommu-
nistische ‚Verleumdungen‘ bezüglich der inferioren amerikani schen Behandlung eigener
nationaler Minderheiten zurückzuweisen , wurde ein „Brotherhood Week Media Packet“
zusammengestellt , das durch ausge wählte , einschlägige Literatur zum Thema „Negro in
the United States“2504
– in Summe rund 100 Titel
– sowie durch Vorträge und Ausstellun-
gen eine entsprechend öffentlich keits wirksame Korrektur dieser Anwürfe gewährleisten
sollte.
Im Zusammenhang der zunehmend härteren Gangart der US-Propaganda ab spätes-
tens 1953 geriet diese weiche Form der amerikanischen Reorientierungs-Politik aber ins
interne Schussfeld , wie ein diesbezügliches Positionspapier mit dem Titel „How the La-
bel of ‚Propaganda‘ can be avoided without sacrificing effectiveness“ doku mentiert. Darin
wehrt sich der zuständige IBS-Mitarbeiter ( ein gewisser Ralph White ) ganz im Sinne
einer effizienten Reorientierungs-Politik gegen die Kritik des „Plans Board IIA“, wonach
die antikommunistische Informationspolitik der US-Stellen – insbesondere im Bereich
der Radiosendungen der „Voice of America“
– zu wenig effizient wäre. Der Sachbearbeiter
strich dabei heraus , dass es sich in der Frage nach dem Zuviel oder Zuwenig an direkter
Beeinflussung um ein zentrales , wenn nicht sogar um das größte Transmis sions problem
der amerikanischen Informations politik in der „freien Welt“ handle. Die geäußerte Kritik
des „Plans Board IIA“ erfolge nämlich auf Basis zweier gegensätzlicher Annahmen bezie-
hungsweise Sachverhalte : einerseits werde die US-Informationspolitik als zu propagan-
distisch , mit viel zu geringem realpolitischem Wert und Nutzen und einem zu geringem
„political punch“ beurteilt ; andererseits sei soeben vom „Hickenlooper Sub committee“2505
–
einer Senator Joseph McCarthy unterstehenden Untersuchungs kommission2506
– in einer
Analyse ( „Analysis of Reports from American Correspondents Overseas“ ) festgestellt wor-
den , dass die meisten westeuropäischen Länder „übersättigt mit amerikanischer Propagan-
Research and Evaluation U. S. Information Agency. Bureau of Social Science Research , The American
University Washington , D.C., Robert T. Bower , Director ( Project Director : Stanley K. Bigman ; Analyst :
Laure M. Sharp ), April 1954.
2503 NARA II , RG 59 , 150 / 71 / 34 / 07 , Box 1 , General Records of the Department of State. International
Information Administration. Field program for Austria. Media Packet for Information Centers in Ger-
many and Austria ( 6. November 1952 ), 2.
2504 Ebd.
2505 Benannt nach dem republikanischen Gouverneur von Iowa und nachfolgenden US-Senator Bourke B.
Hickenlooper ( 1896–1971 ).
2506 Vgl. Krugler , The Voice of America and the Domestic Propaganda Battles , a. a. O., 186.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741