Seite - 590 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Bild der Seite - 590 -
Text der Seite - 590 -
5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
590
Um mit Unterstützung des US-Kongress zusätzliche Mittel für das „Information and
Educational Exchange Program“ zu lukrieren , verfasste Staatssekretär Acheson am 13. Sep-
tember 1950 ein vertrauliches Memorandum , das die Richtlinien der neuen Propaganda-
doktrin zusammenfasste. Im Rahmen der beschlossenen „Psychologischen Offensive“ soll-
ten ab sofort sämtliche Reorientierungs-Aktivitäten sowie alle USIE-Programme in die
Gesamtstrategie der „Campaign of Truth“ einge
bunden werden , deren Hauptstoßrichtung
nunmehr dem ideologischen Kampf gegen den Kom munismus galt :
“Propaganda activities of the USSR now border on open psychological warfare against the Free
World and are a major threat to [ the ] foreign policy objectives of the United States [ … ] a psy-
chological offensive based on truth is essential if the United States is to succeed in its foreign
policy objectives.”2514
Im Zusammenhang dieser ideologischen Abwehrszenarien kam es zur Umkehrung der ur-
sprünglichen Reeducation- beziehungsweise Reorientierungs-Ziele , deren Not wendigkeit
bisher auf die Bedrohung durch den Nationalsozialismus zurückgeführt worden waren.
Anstelle des Nationalsozialismus wurde von den US-Propaganda-Strategen nun der
Kommunismus als die primär zu bekämpfende Ideologie identifiziert und die Sowjetunion
als globaler Aggressor an den Pranger gestellt. Die Begründungs muster der ursprünglichen
Reeducation-Konzepte wurden dabei auf das neue Feindbild beziehungsweise auf dessen
ideologischen Kern übertragen , wobei die inhaltliche Vermittlung in weitaus aggressiverer ,
schärferer und rhetorisch zugespitzter Form die Popularisierung des „American way of life“
mit antikommunistischer Propaganda verknüpfte. Dabei wurde die Verknüpfung von Frei-
heit , Demokratie und Propaganda
– anders als das noch Archibald MacLeish gesehen hatte
–
nun auch von Vertretern ziviler US-Einrichtungen , die zum Großteil freilich in enger Ab-
stimmung mit der US-Regierungsstellen agierten , als legitim erachtet. So unterschied etwa
Paul Gray Hoffman als frisch gewählter Präsident der Ford Foundation 1951 zwischen „good
propaganda and bad propaganda“, indem er ausführte , Propaganda sei nicht per se schlecht ,
sondern je nach der zugrunde liegenden Intention als positiv oder negativ zu werten :
“[ … ] the very word propaganda is suspect and even evil. It has be become associated in our
thinking with deceit and trickery , with totalitarian rather than democratic methods. As em-
ployed by Stalin and Hitler , it has become the synonym for the Big Lie. Yet propaganda need
not to be these things. The word originally meant to propagate an idea or a faith. From the
standpoint of his original meaning , it can be used to serve creative and moral as well as destructive
amoral end.”2515 [ Hervorhebung d. Verf. ]
2514 NARA II , RG 59 , Box 17 , Department of State , Psychological Offensive [ Confidential ] , 13. September
1950 , 1.
2515 Paul Gray Hoffman , Peace Can Be Won ( 1951 ). Zit. nach : Schmidt , Civil Empire by Co-optation , a. a. O., 244.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741