Seite - 591 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Bild der Seite - 591 -
Text der Seite - 591 -
591
Die ideologische Überformung der US-Reorientierung
Die rhetorische Militarisierung der ursprünglich primär auf Demokratisierung gerichteten
US-amerikanischen Reorientierungs-Pläne war dann zugleich Folge wie auch Legitimati-
on der voranschreitenden NATO-Aufrüstung und machte , wie Wilson Compton in einem
Bericht des State Departments ausführte , auch nach innen gegenüber dem zivilen Ame-
rika klar , dass künftig für differenzierte Meinungen kein Raum mehr existiere : „This great
Campaign of Truth on which we are engaged is no place for half-harted Americans.“2516
Die Militarisierung der „Reorientierung“, die Verknüpfung von ideologischer Um-
orientierung und „Aufrüstung“ im Zusammenhang mit dem ausgerufenen , geradezu bib-
lischen „Kreuzzug der Weltanschauungen“ ( „Crusade of Ideas“ ) führte zur propagandis-
tischen Einebnung der vormals differenzierten Demokrati sierungs-Konzepte auf simple
Beschwörungsformeln : zum Zweck einer Unterstützung der US-Aufrüstung wurden kur-
zerhand die „Ideen“ – in diesem Fall also unter anderem die Idee der Freiheit – selbst zu
„Waffen“ erklärt :
“Wars have been won by arms and armaments. But peace has never been won that way , nor kept. [ … ]
In the long run , ideas are more powerful than guns. The march of history has proven that. Our
own national history is essentially the history of an idea – the idea of freedom , the freedom
and the chance to choose. [ … ] We are making gigantic investments in armaments. We are do-
ing this because we must. [ … ] If we want to try to avoid or prevent a world-wide war of arms ,
we must make a greater investment in the world-wide war of ideas. [ … ] We need an armament
of ideas as much as we need an armament of guns. Above all , the whole free world needs a spiritual
rearmament , a renewed allegiance to the ideals which have made the free world free , which are
vital to keep it free.”2517 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Der Ausgang des beschworenen Armageddon der Weltanschauungen , in dem es nach
Ansicht der US-Regierung um nichts weniger als um „the men’s minds“ ging , würde , je
nach Erfolg oder Misserfolg der eigenen Freiheitspropaganda , Weltfrieden oder Weltkrieg
bedeuten :
“This is a day of decisions [ … ] whether collectively we are able to make and willing to make the
effort needed to win the contest for men’s minds [ … ] the outcome of this struggle may well mean
ultimately the difference between world peace and world war.”2518 [ Hervorhebung d. Verf. ]
2516 Crusade of Ideas. Department of State Publication 4696. International Information and Cultural Series
25 , [ Address by Wilson Compton , Administrator , U. S. International Information Admini stra tion , De-
partment of State , Washington D.C., September 1952 , 10.
2517 Crusade of Ideas , a. a. O., 6.
2518 The Voice of America at the Water’s Edge. Department of State Publication 4609. International Infor-
mation and Cultural Series 23 , [ Address by Wilson Compton , Administrator , U. S. Inter national Infor-
mation Administration , Department of State , before the Atlantic Union Committee , Washington D.C.,
21. Mai 1952 , 4 ].
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741