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Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen
senschaftern im engeren Sinne auch Bildungsexperten , Künstler oder Biblio thekare um-
fassen sowie wissenschaftliche Gesellschaften , Bibliotheken und sonstige Wissenschafts-
ein richtungen anführen.2553
Die von den Offizieren der Education Division geprüfte finale Liste führte schließ-
lich 49 österreichische Wissenschafter an , die für das „exchange of persons program“ vor-
geschlagen wurden. Darunter befanden sich auch acht bereits emeritierte beziehungs weise
in den Ruhestand versetzte Professoren.2554
Unter den restlichen vor
ge
schlagenen Wissenschaftern wurden unter anderem auch Per-
sonen mit unter
schiedlicher Belastung aufgrund ihrer NS-Vergangenheit angeführt : so zum
Beispiel die Professoren Leopold Schönbauer ,2555 Hans Planitz ,2556 Ernst Schönbauer ;2557
2553 NARA II , RG 260 , EDU-DIV , Box 1 , Folder 9. Schreiben Thomas E. Benner , U. S. Civilian Chief ,
Education Division , an William B. Featherstone , Teachers College , Columbia University , 28. Fe-
bruar 1947 , 1.
2554 NARA II , RG 260 , EDU-DIV , Box 1 / Folder 9. Schreiben Thomas E. Benner , U. S. Civilian Chief , Ed-
ucation Division , an F. R. Moulton , American Association for the Advancement of Science , Smithonian
Institute , Washington D.C., 27. Juni 1947 , 2 f.
2555 Siehe Kapitel 4 , S. 310 , Anm. 1323.
2556 Siehe Kapitel 4 , S. 349 , Anm. 1491.
2557 Ernst Schönbauer ( 1886–1966 ), laut OSS-Bericht „begeisterter Nazi“ ( „ardent Nazi“ ); siehe : NARA II ,
RG 319 [ Entry 85 ] , Box 1329 , 270 / II / 30 / 6 , Records of the Army Staff. Army Intelli gence Document
File , ID 0203388 , OSS , Washington D.C. 26. September 1945 , 1 ; geboren in Windigsteig in Niederöster-
reich , Cousin Leopold Schönbauers. Schönbauer , der 1911 zum Doktor der Philosophie promovierte und
1915 sein Studium der Rechtswissenschaften abschloss , hatte zuvor an den Universitäten Wien , Prag und
Berlin studiert. Danach studierte er noch an der Universität für Bodenkultur in Wien. 1924 wurde Schön-
bauer außerordentlicher Universitäts professor. Ab 1929 hatte Schönbauer die Position eines Professors
für Antike Rechtsgeschichte inne und lehrte als Dozent für Papyrologie. Von 1938–1940 war Schönbauer
Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Laut Eintrag auf der Parlaments-
homepage war er von 1929 bis 1948 [ sic ] ordentlicher Professor für Bürgerliches und Römisches Recht
und für antike Rechts
geschichte sowie für Papyrologie. Siehe den Eintrag auf : http://www.parlament.gv.at/
WWER/PAD_01757/index.shtml [ Zugriff 26. 9. 2011 ] ; 1918 / 19 hatte Schön
bauer als Experte an den
Friedensverhandlungen in St. Germain teilgenommen ; danach war er für die Großdeutsche Volkspartei
Mitglied der konstituierenden National versam mlung ; von 1920–1930 war er als Mitglied des Landbunds
Nationalrats abgeordneter. Vgl. Ernst Klee , Das Personenlexikon zum Dritten Reich , Wer war was vor
und nach 1945 , Frankfurt am Main 2003 , 555. ( Zit. nach : Herbert Posch / Doris Ingrisch / Gert Dressel ,
„Anschluss“ und Ausschluss 1938. Vertriebene und verbliebene Studierende der Universität Wien , ( = Emi-
gration – Exil – Kontinui
tät. Schriften zur zeitgeschichtlichen Kultur- und Wissenschaftsforschung , hrsg.
v. Friedrich Stadler. Bd. 8 , Berlin 2008 , 111. ) Seit März 1934 war Schönbauer , der den Beitritt zur „Vater-
ländichen Front“ verweigerte , Obmann der Gesell schaft für Rechts wissenschaften , die „als Sammelpunkt
für alle ‚NS-Rechtswahrer‘ agierte ; der anti semi
tische Rechtswissen schafter war früh illegales NSDAP-
Mitglied und während der Propagan da
kampagne 1938 „als Gauredner im Waldviertel höchst aktiv“. Nach
dem „Anschluss“ wurde er zum kommissarischen Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fa-
kultät ernannt. Zit. nach : Rathkolb , Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät , a. a. O., 201. Wie die
NSDAP-Ortsgruppenleitungen im Juli und Oktober 1940 bestätigten , hatte Schönbauer , der Mitglied
beim „NSV , RLB , DRK , RWB“ war und seit Mai 1938 auch NSDAP-Mitglied , als Nationalsozialist
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741