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Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar –akademische Freiheit mit Hindernissen
gehend zu harten Kontrollmaßnahmen , um den vermeintlichen kommunistischen Aktivi-
täten künftig von vornherein das Wasser abzugraben. Bereits Ende 1947 wurden für das
neueingerichtete „Student Rest Center“ in Leopoldskron unter Leitung von Richard D.
Campbell2586 routinemäßige Über prüfungen durch die USFA G2-Abteilung angeordnet
und die Studierenden bei ihrem Eintreffen in Salzburg von CIC-Offizieren einem Verhör
unterzogen : „If the student is undesirable he will not be granted“,2587 wie Lt. Sandker sei-
nem Chef Williams mitteilte.
Kurioserweise war es aber gerade die Erfahrung eines freien , akademischen Aus
tausches
in kollegialer Atmosphäre gewesen , die TeilnehmerInnen des Seminars einen besonders
nachhaltigen , positiven Eindruck US-amerikanischer Wissenschafts- und Diskussionskul-
tur vermittelt hatte. So zitierte US-Gesandter Martin F. Herz in seinem Bericht die Mittei-
lung des italienischen Teilnehmers
– „in touching language“
– Dr. Luigi Meschieri aus Rom :
“[ … ] the particular behavior of American teachers has been one of the most shocking experi-
ences I lived. The kind of approach they used towards their students as well as European mem-
bers was unimaginable for me before the Salzburg experience. After my six years of University
I didn’t know what a Seminar was , and I could speak with my teachers only at the examina-
tions. This is the reason why , seeing some aspects of American university life , I get impressive
example , or maybe an ideal to be follo wed.”2588
Und wie ein in der ungarischen Wochenzeitung UJ Magyarország abgedruckter Bericht
eines Teilnehmers des Harvard-Seminars vom 20. September 1947 deutlich machte , kam
das offene Konzept der Salzburger Veranstaltung , das Raum für kritische Auseinanderset-
zungen bot , gerade auf Grund des völligen Fehlens einer propa gandistischen Absicht ganz
offenkundig auch bei Teilnehmern aus Ländern hinter dem „Eisernen Vorhang“ gut an :
“The sons of Eastern European countries regarded this summer school with a certain degree
of suspicion when they received the invitation. Judging from past experiences they suspected
with some justification that this summer seminar was only a cover to give lessons in American
democracy , that type of democracy which shows no willingness to recognize its own faults and
contradictions while it sees only too well the faults of other nations. This suspicion , however ,
proved to be unfounded , because there was not even a trace of propaganda in Salzburg. The
American hosts openly pointed out their own faults and showed no hostility or intolerance
Division , Box 2 , Folder 57. Zit. nach : Blaustein , To the Heart of Europe : Americanism , the Salzburg
Seminar , a. a. O., 194.
2586 Nash , The Salzburg Seminar , a. a. O., 30.
2587 NARA II , RG 260 , EDU-DIV , Box 5. Sandker to Dr. Williams , Leopoldkron Winter program , 22. De-
zember 1947 , 1.
2588 Herz , Policy considerations in connection with the „Seminar on American Civili zation“ at Leopolds kron
Castle , a. a. O., 2.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741