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6. Endphase der Besatzung
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Franz C. Cyrus stellte enthusiastisch fest , die US-Presse sei „really ‚free and independent‘ “,
und kündigte ebenso wie seine Kollegin Inge Santer an , dass die positiven US-Erfahrungen
in Vorträge sowie in die Berichterstattung des Wiener Kurier einfließen würden.2619 Der Po-
lizei-Experte Dr. Franz Heger hielt in seinem Erfahrungsbericht einen offen
kundig markan-
ten Unterschied zur heimischen Exekutive fest :
“We were not only able to study all of the police institutions , but also to convince ourselves that
all of the policemen are very democratic. Furthermore , it was noticed that the police behave in
a very friendly way to the people. The policeman does not consider himself standing above the
average of other people.”2620 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Von den US-Regierungsstellen wurde dieses erste Austausch-Programm auf neuer Schie-
ne jedenfalls als Erfolg gewertet und ein weiterer Ausbau in Aussicht genommen , dessen
Gesamtkosten mit 271. 000 US-Dollar beziffert wurden. Künftig sollten jährlich zwischen
80 und 100 österreichische „Visiting Experts“ beziehungs
weise „National Leaders“ in die
USA transferiert und umgekehrt jährlich acht bis zehn US-Experten nach Österreich ge-
bracht werden.2621
Neben den Erfahrungsberichten wurden – zur Evaluierung der Auswirkungen der
„Exchange“-Programme auf die individuellen Einstellungsmuster der deutschen und ös-
terreichischen KandidatInnen gegenüber den USA – ab 1949 auch Meinungs erhebungen
mit Fragebögen durchgeführt. Wie sich dabei zeigte , waren die „positiven“ Beeinflus
sungen
durch einen USA-Aufenthalt bei Jugendlichen im vor
studentischen Alter größer als bei der
Gruppe der Studierenden , der „Visiting Experts“ oder der „Leaders“, wobei die Studenten
insgesamt die am deutlichsten „sceptical observers of American foreign policy“2622 blieben.
Mit Blick auf die deutschen AustauschkandidatInnen konstatierte die Auswertungsstudie
( „Analysis of Attitude Change Among German Exchanges“ ), dass die 392 Befragten mit der
politischen Intention der kulturellen Austauschaktivitäten offenbar kein Problem hatten :
„[ … ] grantees seemed to buy the overall political rationale behind the cultural ex
change“.2623
Eine weitere , ebenfalls auf der Grundlage von Fragenbogen erfolgte Auswertung unter
634 öster
reichi
schen Austausch
kandidatInnen
– rund 50 Prozent waren Studierende , 33 Pro-
zent „leaders“, ein Drittel Frauen
– kam zu ähnlichen Ergebnissen. Auch die öster reichischen
„Grantees“ zeigten sich beeindruckt vom amerikanischen Lebens
standard und den dortigen
Arbeits
bedingungen , äußerten jedoch im Unterschied zu den Deutschen auch Kritik an der
2619 The Reorientation of Austrian National Leaders’ Program. Report of Reorientation Committee for FY
1949 and Recommendation for Future , a. a. O., 11 f.
2620 Ebd., 12.
2621 Ebd., 17.
2622 Schmidt , Civil Empire by Co-optation , a. a. O.,426.
2623 Ebd., 423.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741