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Übernahme durch das State Department
amerikanischer Sicht weiterhin zu festigen. In diesem Zusammenhang konzentrierten
sich die USIE-Planungen ab 1950 / 51 vor dem Hintergrund der beginnenden wirtschaftli-
chen Konsolidierung verstärkt auf den Ausbau der „Austrian Youth Activities“ ( AYA ).2653
Daneben bildeten – neben der Informations- und Medien
politik sowie dem Ausbau der
US-Information Center – insbesondere auch Lehrer seminare2654 sowie Ausstellungen
Schwerpunkte der US-Kulturmission , die sich , im Zusammenhang mit den Hetzkampa-
gnen Senator Joseph McCarthys , aber gänzlich von den ursprüng lichen Zielen einer de-
mokratischen Reorientierung zu einer antikom munistischen „Westernisierung“ verlagerte.
Die mitunter unglaublich rüde Vorgehensweise bei dieser geistig-mentalen „Rollback“-
Strategie wurde jedoch auch auf europäischem Boden nicht besonders gut aufgenommen.
So provozierte die im Auftrag von McCarthy aus geführte „Cohn-Shine-Mission“, die
während der republikanischen Wahlkampf kampagne Präsident Eisenhowers 1953 einen
regelrechten Kreuzzug durch die USIS Information Center in Europa führten und dabei
angeblich „kommunistische“ Literatur aus den Regalen entfernen ließen , große Aufregung
und wurde quer durch ganz Europa mit „book burnings“2655 assoziert.
Tatsächlich stieß der zweitägige Besuch der beiden McCarthy-Mitarbeiter G. David
Shine und Roy Cohn ,2656 die in zehnminütigen Kurzinterviews quer durch die US-Be-
satzungszone hetzten und dabei die verantwortlichen Leiter des US-Radiosenders „Rot-
Weiss-Rot“, des Wiener Kurier sowie der „Amerika Häuser“ verhörten und dabei ‚Säube-
rungsmaßnahmen‘ durchführten ,2657 auch in Österreich auf Ablehnung und Kritik :
“The Austrian have shown that they do not accept American officials in Vienna as really rep-
resenting present Washington policy , in view of the change of admini stration. The Cohn and
Shine investigations caused many criticisms.”2658
2653 NARA II , RG 260 , EDU-DIV , Youth Activities , Box 2. Needs of Austrian Youth , Oktober 1949. Vgl.
auch : Hiller , Amerikanische Medien- und Schulpolitik in Österreich , a. a. O., 310 ff.
2654 Vgl. Liebl , Die Umerziehung der österreichischen Bevölkerung , a. a. O., 109 ff.
2655 Special Report Prepared by the Psychological Strategy Board , „Reported Decline in US Prestige Abroad“,
11. September 1953 , 1484. FRUS , 1952–1954 , Vol. I. General : Economic and Political Matters ( in two
parts ). Part 2 , Washington D.C. 1983.
2656 Vgl. dazu auch : William T. Walker , McCarthyism and the Red Scare. A Reference Guide , Santa Barbara
2011 , 79 bzw. 84 ff.
2657 Neben 18 „kommunistischen Autoren“, deren Namen auf einer schwarzen Listen verzeichnet waren , be-
fanden die beiden Inquisitoren auch 78 andere hochgefragte Autoren als „un-ameri kanisch“ und setzten
diese auf „graue Listen“, was den Bibliothekaren in den US-Information center erhebliche Probleme
bescherte. Unter diesen Autoren befanden sich , neben vielen anderen , immerhin auch „Kronzeugen“ der
US-Reeducation : so John Dewey [ sic ] , Archibald MacLeish [ sic ] oder Reinhold Niebuhr [ sic ] ; weiters :
u. a. Pearl S. Buck , Theodor Dreiser , Albert Einstein , John Dos Passos , Dashiell Hammet , Ernest Hem-
mingway , Stefan Heym , Norman Mailer , Thomas Mann , Arthur Miller , Frank Llyod Wright , Jean Paul
Sartre , Upton Sinclair oder Henry Wallace. Siehe : Wagnleitner , Coca-Colonization , a. a. O., 171.
2658 „Reported Decline in US Prestige Abroad“, 11. September 1953 , a. a. O., 1503.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741