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‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung
Programme und der AYA-Jugendaktivitäten in den Büros in Wien , Linz und Salzburg
verantwortlich war. Es gab , wie mit Bedauern fest gestellt wurde , nicht einmal mehr Büro-
angestellte. In einem Abschlussbericht der Education Division wurde über die bisherigen
bildungspolitischen Aktivitäten in Österreich Bilanz gezogen ; und dabei wurden – unter
Ausblendung der demokratiepolitischen Kernaufgaben
– die Funktionen beziehungsweise
Auf gaben bereiche rekapituliert , auf denen die grundsätzliche „non-interference“-Politik
der US-Reorientierungs-Abteilung in Österreich ausgerichtet war.2683
Die geleistete Arbeit der Education Division resümierte Williams , – seinem Bericht
fügte er auch eine detaillierte Statistik der AYA-Faschingsaktivitäten in Wien , Linz und
Oberösterreich an –, wie nicht anders zu erwarten , grundsätzlich positiv und meinte le-
diglich : „There were probably many mistakes of minor nature but which did not injure the
Division’s operations. Perhaps , the greatest mistake was in initiating new projects for which
the staff assistance was not adequate.“2684
In Bezug auf den bildungspolitischen Status quo – angefangen von der Schulbildung ,
über die internationalen Wissenschafts- und Forschungskontakte bis hin zum „Inter-
national Educational Interchange“
– attestierte Williams dem österreichischen Unter
richts-
ministerium , es befinde sich mit den bisher erreichten Ergebnissen „ten years ahead of eco-
nomic stabilization“,2685 schließlich lägen die bildungspolitischen Ange
legenheiten seiner
Ansicht nach auch „in the hands of a progressive , highly qualified and courageous ministerial
staff [ … ]“;2686 dass die von amerikanischer Seite projektierte Umsetzung einer Gesamtschule
in Österreich unrealisiert blieb , fiel hier ebenso wenig ins Gewicht wie der wenig ‚progressive‘
Realzustand an Öster
reichs Universitäten. Im Hinblick auf die besatzungspolitischen Aus-
einandersetzungen auf der Ebene des Alliierten Rates meinte der scheidende Leiter der US-
FA Education Division unum
wunden , dass dieser innerhalb des „Quadripartite Directorates“
mittlerweile vor allem Verteidigungsfunktion zukomme : [ Education Division ] „has genera-
ted largely into a defense of the Austrian Ministry for Education against unfair attacks from
an unsympathetic and non-cooperative source“
– womit freilich die Sowjets gemeint waren :
“Charges of violations of Article 3( e ) of the Allied Control Agreement , revival of Fascism , em-
ployment of Nazi teachers , disregard of Allied Council decrees , by the Ministry for Education ,
juggling the currencies without permission of the Executive Committee , and demands for the
2683 Hierzu heißt es in dem Bericht u. a. : „The Division promotes the acceptance of the best and most democra-
tizing features of American education and maintains constant liaison with Austrian education in all levels
from the nursery schools to the universities. [ … ] The Division screens technical and research equipment
procured for universities through ECA and serves as advisor to Austrian Government and university
officials in the restoration of the Research program.“ NARA II , RG 260 , EDU-DIV , Box 5 , Folder 28.
Education Division. Quarterly Historical Report Covering Period : 1 January–31 March 1950 , 7.
2684 Ebd., 9.
2685 Ebd., 4.
2686 Ebd., 5.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741