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Für die deutschsprachige Forschung zu den » Mittelalterbil
dern « hat Otto Gerhard Oexle die wesentlichen Parameter fixiert
und dabei die fundamentalen Bezüge zwischen » Mittelalter «
und » Moderne « in den Vordergrund gerückt. Für ihn formieren
sich in den traditionellen Epochenbegriffen mentale Geschichts
bilder, » Epochenimaginationen «, unter denen dem Mittelalter
zentrale Bedeutung zukommt, denn : » › Mittelalter ‹ ist in der Ge
nese des Denkens der Moderne der fundamentale Bezugspunkt,
an dem sich Epochenbegriffe wie › Antike ‹, › Renaissance ‹ oder
› Reformation ‹ und vor allem der Begriff der › Moderne ‹ selbst
orientieren. «39 Die Bildwelten des Mittelalters werden so in ei
nem doppelten Sinn zu » Vorstellungswelten der Moderne « – als
» Vorstellungen von der Moderne und Hervorbringungen der Mo
derne. «40 Am Beispiel der englischen Präraffaeliten macht Oexle
deutlich, in welcher Weise das Mittelalter bzw. » Mittelalterlich
keit « dazu eingesetzt wurde, zentrale Fragen der eigenen – mo
dernen – Gegenwart zu behandeln, » spezifische Probleme der
Modernität «, so etwa Sexualität und die gesellschaftliche Rolle
der Frau, zu erörtern.41 Die jeweilige Vorstellung, das » Bild « vom
Mittelalter, war also weniger vermeintlich harmlose, » romanti
sche « Rückschau, sondern vielmehr Mittel zur Sublimierung sehr
gegenwärtiger Diskurse und zeugt damit von der Ambiguität des
Mittelalterbegriffs. Unter dem Vorzeichen einer solchen Mehr
deutigkeit lässt sich auch der Gegenstand dieses Buches angemes
sen untersuchen.
Ritter – Burg
Die Burg und ihr Bewohner, der Ritter, zählen – neben den stets
starken sakralen Bezügen aller Mittelalter
Imaginationen, die
hier ausgeklammert bleiben müssen – bis heute zu den wich
tigsten, primär literarisch vorgeprägten Topoi der Mittelalter
rezeption des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und wurden in
unterschiedlicher Weise zu Projektionsflächen moderner Mit
telalterbilder. Für den Adel waren Burg und Ritter Symbole eins
tiger Macht und Legitimität, darüber hinaus erblickte das Bürger
tum vor allem in der Figur des Ritters ein Reservoir bürgerlicher
Tugenden und Ideale und formte das Bild des Ritters nach seinen
Bedürfnissen. So entstand nicht zuletzt auch eine gesellschaft
lich sanktionierte, weil historisch und ikonologisch legitimierte
Schablone für verborgene Sehnsüchte und geheime Wünsche.
Dieser Bedeutung entsprechend war der Ritter in unterschied
licher Gestalt in Geschichtsschreibung, Literatur und bildender
Kunst multi
medial präsent.
24 Mittelalterbilder
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258