Seite - 211 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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im 19. Jahrhundert entwickelten oder perfektionierten visuel
len Formen des Erzählens von Geschichte und Vergangenheit be
saßen also ein innovatives mediales Potenzial, das im weiteren
Verlauf von neuen Medien genutzt werden konnte. Dass gerade
Kreuzenstein an der Schwelle zweier unterschiedlicher media
ler Zeitalter entstand und von Anbeginn sowohl traditionelle, als
auch völlig neuartige Formen der Wahrnehmung bediente, zeigt
sich im folgenden letzten Abschnitt dieser Untersuchung.
Film
Seine wohl stärkste und nachhaltigste mediale Prägung, Spiege
lung und Erweiterung hat Kreuzenstein im Film erfahren. Max
Reinhardt und Michael Curtiz haben hier ebenso gedreht wie Ma
rio Bava, Sophia Loren und Peter Sellers, aber auch Elke Sommer,
Donald Sutherland oder Nicolas Cage. Zuletzt ( 2014 ) diente Kreu
zenstein als Kulisse für die US amerikanische Reality Show » The
Quest «. Der Blick auf die bemerkenswerte Funktion der Burg als
Filmkulisse bündelt noch einmal wichtige Aspekte der Unter
suchung und eröffnet neue Perspektiven. Dass gerade Kreuzen
stein zu einem bevorzugten Drehort von Historien und Horror
filmen wurde, deutet auf eine besondere mediale Eignung der
Architektur zur Übertragung ins Filmbild hin. Und die auffällig
konstante Präsenz der Burg im Film bestätigt abermals den be
reits mehrfach thematisierten modellhaften und allgemeingül
tigen Anspruch und Charakter dieser physisch greifbaren Mit
telalterfiktion. Kreuzenstein lässt sich nicht nur als Schauplatz,
sondern auch in seiner Funktion als » Zeitmaschine « unmittelbar
mit dem Film in Beziehung setzen. Das Streben nach Authenti
zität vereint Kreuzenstein – und zahlreiche andere Bauten des
späten 19. Jahrhunderts – mit dem historischen Film : » Abgesehen
von ihrer Theaterhaftigkeit «, schreibt Siegfried Kracauer, » haben
historische Filme noch eine andere Eigenschaft, mit der man sich
abfinden muß : sie sind virtuell umgrenzt ; sie laufen der Affinität
des Mediums zum Endlosen zuwider. Die Welt, die sie zeigen, ist
als Reproduktion einer vergangenen Epoche ein künstliches Er
zeugnis, vollständig abgetrennt vom Raumzeit Kontinuum der
Lebenden, ein geschlossener Kosmos, der keine Erweiterungen
zuläßt. «651 Aber auch der Dingfülle des Interieurs des 19. Jahrhun
derts, die in Kreuzenstein so eindrucksvoll mit der Vorstellung ei
ner mittelalterlichen Burg verwoben ist, wurde mit dem » Eintritt
des Requisits in den Film «, der zunehmenden filmischen Präsenz
dinghafter Ausstattungselemente, ein neues Medium eröffnet,
worauf bereits Walter Benjamin hinwies.652 Wie Panoramen und
211Film
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258