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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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des Dritten Reiches hochhält «, das » Lieblingsbild der deutschen Jugend «99, treibt auf geradezu gespenstische Weise die oft unfrei­ willige Komik und den offensichtlichen Anachronismus der he­ roischen Rittergestalten an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahr­ hundert auf eine späte Spitze, die nicht mehr zu überbieten ist. Ikonisch konzentriert, hat hier die Politisierung des mittelalter­ lichen Ritters ihren Höhepunkt erreicht.100 Modernisierungen Die romantische Begeisterung für das Mittelalter mündete in ganz Europa in zahllosen Burgenrestaurierungen, ­ rekonstruk­ tionen oder – wie im Fall von Kreuzenstein – weitgehenden Neu­ bauten. Die äußere Erscheinung der mittelalterlichen Vorbilder wurde dabei mehr oder weniger gekonnt imitiert und interpre­ tiert, die historischen Funktionen als Wehrbau und Sitz des Rit­ ters aber nur fingiert. Um mehr zu sein als bloße malerische Kulissen, mussten die neuen Burgen mit neuen Funktionen aus­ gestattet und auf diese Weise modernisiert werden. Wir haben es also mit hybriden Gebilden zu tun, hinter deren mittelalterli­ chen Formen in der Regel zutiefst moderne Funktions­ und Be­ deutungsebenen zum Vorschein treten. Als historische Monumente, die oft auch die Geschichte der eigenen Familie repräsentierten, wurden die funktionslos ge­ wordenen Wehr­ und Wohnbauten von ihren vorwiegend aris­ tokratischen Bauherrn zugleich musealisiert und vielfach der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ausgestellt wurde gleich­ sam das Mittelalter selbst, in Gestalt vollständig eingerichteter Wohnräume, in denen tatsächlich aber niemand mehr wohnte. Die historische Funktion wurde damit zur Fiktion, und so fik­ tiv wie die Wohnfunktion waren auch die imaginären Bewoh­ ner dieser Burgen – zumeist historische oder legendäre, häufig namenlose Rittergestalten, von denen erzählt wurde, sie hätten dereinst in ebendiesen Gemächern gehaust.101 Die Räume sollten zugleich den Eindruck erwecken, dass diese imaginären Bewoh­ ner soeben erst den Raum verlassen hätten und jederzeit wieder zurückkehren könnten. Der reale Mangel an ritterlichem Leben wurde, wenn es nicht etwa durch umfassende historische Gemäl­ dezyklen monumental ins Bild gesetzt wurde, durch ein surplus an mehr oder weniger historischen » Wohnspuren « kompensiert, dinghaften Stellvertretern des abwesenden Personals in den Ku­ lissen eines Historiengemäldes.102 Die phantastische Idee, der Ritter könnte jederzeit wieder bei der Türe hereintreten und das historische Bild » zum Leben erwecken «, bestimmt topisch die 41Modernisierungen
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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