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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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dem dies passiert, und die spezifische Form, mit der Mausoleum und Museum inszeniert werden, sind allerdings einzigartig. Den Dingen, die der Sammler zusammentrug, baute er mit Kreuzenstein das im Wortsinn angemessene Futteral. Die ima­ ginäre Welt des Mittelalters wurde so zumindest temporär real begehbar und zu einem Mittelpunkt in Wilczeks Leben. Doch im Gegensatz zu zeitgenössischen literarischen Figuren wie dem de­ kadenten und exzentrischen Sammler Floressas des Esseintes in Joris­ Karl Huysmans’ Roman » À rebours « von 1884, oder histori­ schen Persönlichkeiten wie König Ludwig II. von Bayern, die bis­ weilen zur Gänze in den » Milieus « der von ihren geschaffenen – mittelalterlichen – Parallelwelten verschwanden, hielt Wilczek stets Kontakt zur Prosa der Wirklichkeit. Die Zeitreise ins Mit­ telalter war für ihn nur eine von vielen möglichen Handlungen ; dadurch ist Kreuzenstein eben nicht nur aristokratischer Spleen, sondern auch ein ernstzunehmendes Projekt, ein hypertropher kulturgeschichtlicher Versuch im Burgenbau und im Zurückdre­ hen der Zeit, unbeeinflusst von den Niederungen beschränkter finanzieller Mittel. Zu ihrer Zeit war diese Burg aber auch – durch die selektive » Rekonstruktion « der idealisierten und verklärten Welt des mittelalterlichen Ritters – subtile Kritik an der Kul­ tur der Gegenwart. Wilczek war also keineswegs ein Sonderling, wenn auch das Unternehmen, mitten im 19. Jahrhundert eine Burg zu bauen, reichlich sonderbar erscheinen musste. Der Sammler Eine Fotografie von 1879 zeigt den Bauherrn von Kreuzenstein in Kostüm und Pose des Haarlemer Garnhändlers Wilhelm van Heythuysen, wie ihn Frans Hals zwischen 1625 und 1630 in Le­ bensgröße festgehalten hat. 〚 25 〛 Das berühmte Gemälde, heute in der Münchner Alten Pinakothek, wurde damals in der Gemäl­ degalerie des Fürsten Liechtenstein in Wien aufbewahrt. Dort wird es Hans Graf Wilczek gesehen und sich dazu entschlossen haben, für eines der legendären Feste im Atelier des » Malerfürs­ ten « Hans Makart ( 1840 – 1884 ) zum Tableau vivant zu werden, wobei das Bild als Kunstwerk von größerer Bedeutung war, als die historische Person, die es darstellt : Wilczek verkleidete sich als Gemälde. In zwei weiteren Fotografien mit nur leicht verän­ dertem Hintergrund hat Wilczek die Pose des Bildnisses abgelegt, und sogleich tritt der Darsteller vor den Dargestellten. 〚 26 〛 Trotz oder gerade wegen ihrer Faschingslaune geben diese Aufnahmen Aufschluss über die Persönlichkeit des damals gut vierzigjährigen Wilczek, der wenige Jahre zuvor mit dem Bau von Kreuzenstein 67Der Sammler
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und BauhĂĽtte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. AuĂźenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. FrĂĽhe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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