Seite - 171 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Frühe Besucher
Spätestens mit der Vollendung der Bauarbeiten im Jahr 1906
wurde Kreuzenstein zu einer der wichtigsten Sehenswürdigkei
ten in der Umgebung Wiens, wobei das Fehlen offizieller Besu
cherzahlen genauere Aussagen erschwert.511 Durch den bekann
ten Stern ausgezeichnet, stand im » Baedeker « von 1913 zu le
sen : » 1 Std. nordwestl. von Korneuburg ( Wagen hin und zurück
12 K ) liegt *Burg Kreuzenstein ( 262 m ; 105 m über der Donau ),
im XII. Jahrhundert erbaut, von den Schweden 1645 zerstört,
1874 – 1906 von Hans Graf Wilczek neu aufgeführt. Im Inneren
zahlreiche Kunstschätze. Zutritt außer Mo. Fr. täglich zu den vol
len Stunden gegen Eintrittskarten ( 1 K ), die bei Förster Schwarz in
Leobendorf bei Korneuburg oder beim Portier des gräfl. Wilczek
schen Hauses, Wien I. Herrengasse 5, zu lösen sind. «512
Anders als bei der großen Masse der Besucher, über deren Mo
tivation und Eindrücke bestenfalls die unzähligen von hier ver
schickten Korrespondenzkarten mit Ansichten der Burg be
richten, sind wir über die vielen prominenten Gäste Wilczeks
vergleichsweise gut informiert.513 Die Reihe der Besucher aus
Politik, Wissenschaft und Hocharistokratie, die bis zum Aus
bruch des Ersten Weltkriegs nach Kreuzenstein kamen, wurde
am 7. Juni 1906 durch den deutschen Kaiser Wilhelm II. eröffnet.
Das » Prager Tagblatt « fand anlässlich des Kaiserbesuchs Raum für
eine kurze Charakteristik des Baues, der » mehr Museum als Her
rensitz « sei, » sozusagen eine Burg mit kulturhistorischen Ten
denzen. «514 In der Berliner Illustrierten » Die Woche « war zu le
sen : » Seit Jahren schon bringt unser Kaiser, der den Grafen von
früher her kennt, dem Restaurationswerke das größte Interesse
entgegen. Aus der Ferne hat er es in seinem Werden verfolgt, da
ihm regelmäßig photographische Aufnahmen der fertiggestell
ten Bauteile nach Potsdam zugesandt wurden. Jetzt hat er den
Besuch in Wien benutzt, um das Schloß, das in seinem Innern ein
ganzes Museum von Altertümern birgt, persönlich zu besichti
gen. «515 In seiner Tischrede meinte der deutsche Kaiser, dass sich
trotz mancher Differenzen im Detail seine Ansichten über Kunst
und Geschichte stets mit jenen Wilczeks gedeckt hätten : » Wir
wollten gerne dem jetzigen Geschlecht vor Augen führen, wie in
alter Zeit die schwertgewaltigen Ahnen ihre Tugenden und ihre
Tapferkeit, ihre ritterliche Verehrung der Frauen bewiesen haben.
Mögen diese Ihre Bestrebungen, denen ich mich aus vollem Her
zen anschließe, noch so sehr angegriffen werden, immerhin wird
jeder davon überzeugt sein, daß Ihrem Werk Ehre gebührt, das
ein Kulturwerk ist [ … ]. Wir blicken zu Ihnen auf, als dem Bedeu
tendsten und Berufensten auf diesem Gebiete. «516 Zum Abschied
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Besucher
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258