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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Alter und Authentizität Kreuzenstein ist ein Hybrid aus zerstreuten und wieder versam­ melten Dingen, aus » objets anciens « bzw. » objets trouvés «. Es sind Objekte, die vor langer Zeit an einem anderen Ort zu einem anderen Zweck hergestellt worden waren und eigens für Bau und Ausstattung der Burg zusammengetragen, neu zusammengefügt wurden. Das gemeinsame Kennzeichen dieser Objekte ist ihr Al­ ter – im Sinne eines markanten zeitlichen Abgesetztseins von der Gegenwart. Neu zusammengefügt sind sie in der Lage, eine neue Erzählung zu bilden, » weitere › Bedeutungsschichten ‹ anzule­ gen «.540 Auch im neuen Zusammenhang bleibt aber ihre Fremd­ heit, ihr Anderssein gegenüber der Gegenwart, präsent. Aus den Relikten zahlreicher zerstörter alter Texte wird im neuen Kon­ text durch die Aussagekraft der Spolien und die Art und Weise ihrer Zusammenfügung und Einbindung ein neuer Text geformt – gleichsam ein umgekehrtes Palimpsest, denn hier schimmert nicht der eine alte Text durch die darüberliegenden späteren Texte hindurch, sondern der neue Text bedient sich vieler ein­ zelner isolierter Fragmente unzähliger alter Texte, und diese ver­ wirrende und flirrende Vielstimmigkeit ist es, die Ensembles wie Kreuzenstein auszeichnet. Im Fall von Kreuzenstein beschreibt der neu gebildete Text das Erscheinungsbild einer mittelalterli­ chen Burg, vielleicht der mittelalterlichen Burg schlechthin. Anders als Klaus Eggert, der die Spolien von Kreuzenstein als ein Symptom geringen » schöpferischen « Vermögens gedeutet hat,541 wird der Einsatz von Spolien und anderen historischen Re­ likten hier als künstlerische und kreative Leistung verstanden. Dies ist charakteristisch für eine Epoche, die zwar im Triumph über die Geschichte und im Glauben an den Fortschritt von Wis­ senschaft und Technik selbstbewusst in die Zukunft blickte, zu­ gleich aber die Erfahrung einer begrifflich nicht mehr als Gan­ zes fassbaren Welt mit dem Wunsch nach zumindest temporärer Wiederherstellung und Vergegenwärtigung des Vergangenen zu kompensieren versuchte. In Kreuzenstein sollte diese Wiederherstellung möglichst um­ fassend durchgeführt werden, weshalb neben dem Einbau von Spolien auch andere Techniken der Authentifizierung und Verge­ genwärtigung angewandt wurden. Die Historizität des Ortes, aus­ gedrückt in der sichtbaren Einbeziehung der vorhandenen Rui­ nen, war dabei genauso wichtig wie die historische, formale und funktionale Logik der Gesamtanlage, ihre Einrichtung und nicht zuletzt ihre mediale Inszenierung. Die Spolien von Kreuzenstein wurden zu dem Zweck erworben, dem im Entstehen begriffenen Bau der Burg sukzessive integriert zu werden ; mitunter konnten 180 Herrschaft der Dinge
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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