Seite - 201 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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In Kreuzenstein sind es außerdem die starke Staffelung der
Bauteile und eine Vorliebe für die in mehrere Ebenen geschich
tete, mehrfach aufgebrochene Wand, die der fotografischen In
szenierung der Architektur besonders entgegenkamen. Auch hier
erlaubt die auffällige Häufung dieser Gestaltungsmittel die An
nahme, dass bereits der Entwurf der Architektur von einer foto
grafischen Rezeption der vorbildlichen Bauten ausging. In jedem
Fall handelt es sich hierbei um eine Architektur, die sich ihrer fo
tografischen Wirkung bewusst ist.
Heterotopie, Themenpark
Wenn Kreuzenstein tatsächlich eine » Zeitmaschine « ist, dann
lässt es sich mit Michel Foucault auch als » Heterotopie « be
schreiben, als ein Raum, dem wie die Utopie » die merkwürdige
Eigenschaft zukommt, in Beziehung mit allen anderen Orten zu
stehen, aber so, dass sie alle Beziehungen, die durch sie bezeich
net, in ihnen gespiegelt und über sie der Reflexion zugänglich ge
macht werden, suspendieren, neutralisieren oder in ihr Gegenteil
verkehren. «606 Heterotopien sind » Orte, die gleichsam Gegenorte
darstellen, tatsächlich verwirklichte Utopien, in denen die rea
len Orte, all die anderen realen Orte, die man in der Kultur finden
kann, zugleich repräsentiert, in Frage gestellt und ins Gegenteil
verkehrt werden. Es sind gleichsam Orte, die außerhalb aller Orte
liegen, obwohl sie sich durchaus lokalisieren lassen. «607 Heteroto
pien, so Foucault, besäßen die Fähigkeit, » mehrere reale Räume,
mehrere Orte, die eigentlich nicht miteinander verträglich sind,
an einem einzigen Ort nebeneinander zu stellen « – das Theater,
das Kino und der Garten werden von Foucault stellvertretend
genannt.608 Museen und Bibliotheken sind für ihn » Heteroto
pien, in denen die Zeit unablässig angesammelt und aufgestapelt
wird « : » Der Gedanke, alles zu sammeln, gleichsam ein allgemei
nes Archiv aufzubauen [ … ], einen Ort für alle Zeiten zu schaf
fen, der selbst außerhalb der Zeit steht und dem Zahn der Zeit
nicht ausgesetzt ist, und auf diese Weise unablässig die Zeit an
einem Ort zu akkumulieren, der sich selbst nicht bewegt, all das
gehört unserer Moderne an. «609 Heterotopien könnten schließ
lich » einen illusionären Raum schaffen, der den ganzen realen
Raum und alle realen Orte, an denen das menschliche Leben ein
geschlossen ist, als noch größere Illusion entlarvt. [ … ] Oder sie
schaffen einen anderen Raum, einen anderen realen Raum, der
im Gegensatz zur wirren Unordnung unseres Raumes eine voll
kommene Ordnung aufweist. «610 Durch die konsequente, sinn
lich möglichst umfassende Rekonstruktion von Vergangenheit,
201Heterotopie,
Themenpark
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258