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Andere Gruppen versuchen ihre Warez durch Verschlüsselung zu
schützen.2003 war es die Release Group TGSC,die als erste deutsche
Gruppe ankündigte, ihre Film-Releases von nun an zu verschlüsseln.
Den benötigten digitalen Schlüssel zum Anschauen des Films wollte
TGSC nur an bestimmte Szenemitglieder weitergeben.
Die geradezu groteske Entscheidung, Warez mit einem Kopier-
schutz zu versehen,sorgte für Diskussionsstoff innerhalb der Szene.
Einige Release Groups zogen nach und verschlüsselten ihre Releases
ebenfalls.Andere sprachen sich vehement dagegen aus und sahen in
der Verschlüsselung nichts weiter als einen Kopierschutz, der der
Grundidee der Szene widersprach und geknackt werden mußte. Fol-
gerichtig kursierten schon bald Cracks,mit denen sich die Verschlüs-
selung aushebeln ließ. Am Ende wurde also ein kopiergeschütztes
Original von einer Gruppe geknackt und verschlüsselt,um von einer
anderen Gruppe wieder geknackt zu werden.
Bisweilen wird in der Release-Szene sogar zu drastischen Abwehr-
maßnahmen gegriffen,um sich vor unerwünschter Öffentlichkeit zu
schützen. Jeff Howe, Redakteur des US-Magazins Wired, wurde im
Rahmen seiner Recherchen über die Release-Szene recht deutlich
davor gewarnt, Details der Szene preiszugeben. »Du brauchst sicher
keinen 150-Kilo-Schläger mit einer Pistole vor deiner Haustür«,drohte
ihm damals ein Mitglied der Szene.33
Waren die Strukturen in den 80er Jahren noch einigermaßen durch-
schaubar, so hat sich durch die Entwicklung des Internets ein Ge-
flecht von Szenen gebildet, das von Jahr zu Jahr komplexer wird.
Nach mehr als 20 Jahren Warez-Szene ist kein Rückgang der Aktivitä-
ten ersichtlich. Polizeiliche Ermittlungen und Kampagnen der Indu-
strie haben zwar zur Veränderung der Szene geführt, jedoch nicht
zum Vorteil der Jäger. Je härter die Maßnahmen werden,desto mehr
scheint sich die Szene in ihre geheime Welt zurückzuziehen. Be-
trachtet man die Geschehnisse der vergangenen Jahre, dann scheint
es so,als hätte die Industrie einen Krieg begonnen,den sie nicht ge-
winnen kann.
97KOPIE
DER KOPIE DER
KOPIE96
No Copy
Die Welt der digitalen Raubkopie
- Titel
- No Copy
- Untertitel
- Die Welt der digitalen Raubkopie
- Autoren
- Jan Krömer
- Evrim Sen
- Verlag
- Tropen Verlag
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 2007
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 3-932170-82-2
- Abmessungen
- 13.9 x 19.0 cm
- Seiten
- 314
- Schlagwörter
- Raubkopie, Werk, Digitalisierung, Vervielfältigung, Privatgebrauch
- Kategorien
- Medien
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- 1. DIE GESCHICHTE DER SCHWARZKOPIE
- 2. KOPIE DER KOPIE DER KOPIE
- 3. ALL YOU CAN EAT
- 4. DIE KUNST DES CRACKENS
- 5. CRACKERETHIK
- 6. RAUB, KOPIE, PHILOSOPHIE
- 7. IM PARAGRAPHENDSCHUNGEL
- 8. DAS IMPERIUM UND SEINE REBELLEN
- 9. AUFRUHR IM SYSTEM
- NACHWORT 256
- INTERVIEWS
- GLOSSAR 279
- ANMERKUNGEN 290