Seite - 254 - in No Copy - Die Welt der digitalen Raubkopie
Bild der Seite - 254 -
Text der Seite - 254 -
SYSTEM254
RAUBKOPIERER SIND MÖRDER
Viele Kinobesucher bekamen 2004 vor dem Hauptfilm unfreiwillig
ein Propaganda-Video zu sehen. Darin wurden zwei junge Männer
gezeigt, die ins Gefängnis eingeliefert werden.Alt-Knackis beobach-
ten, wie die Neuankömmlinge von den Wärtern zu ihren Zellen ge-
führt werden,und erklären mit hämischem Grinsen,wie sehr sie sich
schon auf die »knackigen Ärsche« der »Raubkopierer« freuen. Nicht
nur die Zuschauer waren angesichts derartiger Kinowerbung fas-
sungslos. Auch Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbands
der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), hielt »die Art und Weise der
Kampagne in höchstem Maße für fragwürdig«.56 Der Virtuelle Orts-
verein der SPD warf der Filmwirtschaft aufgrund der angedeuteten
Vergewaltigung die Darstellung eines »menschenverachtenden Welt-
bilds« vor. Der Spot sei ein Beispiel für eine »gravierende Werbeent-
gleisung«.57 Die umstrittene Werbung war Teil einer großangelegten
Werbekampagne der deutschen Filmwirtschaft unter dem Dach der
Zukunft Kino Marketing GmbH (ZKM). In Kinospots und Plakatmoti-
ven sollte auf illegales Schwarzkopieren hingewiesen werden. Das
Motto der Aktion »Raubkopierer sind Verbrecher« erklärte Millionen
Anwender pauschal zu Kriminellen.
Ohnehin erzielte die Kampagne bei den Kinobesuchern nicht die
erhoffte Wirkung. Diejenigen Besucher im Saal, die noch nie eine il-
legale Kopie benutzt hatten, fühlten sich nicht angesprochen. Viele
Zuschauer waren hingegen wenig erfreut, als Verbrecher bezeichnet
zu werden,obwohl sie soeben Eintritt bezahlt hatten.
2005 startete die ZKM eine Neuauflage ihrer Kampagne,wenn auch
ohne unterschwellige Gewaltandrohungen. Der Tenor blieb jedoch
gleich: »Schwarzkopierer sind keine Kunden, sondern Kriminelle.«
Einige Besucher hatten derweil genug von regelmäßigen Kinogän-
gen: »Ich bin ehrlich und verzichte gänzlich auf Kinobesuche, da ich
NO ©OPY
No Copy
Die Welt der digitalen Raubkopie
- Titel
- No Copy
- Untertitel
- Die Welt der digitalen Raubkopie
- Autoren
- Jan Krömer
- Evrim Sen
- Verlag
- Tropen Verlag
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 2007
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 3-932170-82-2
- Abmessungen
- 13.9 x 19.0 cm
- Seiten
- 314
- Schlagwörter
- Raubkopie, Werk, Digitalisierung, Vervielfältigung, Privatgebrauch
- Kategorien
- Medien
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- 1. DIE GESCHICHTE DER SCHWARZKOPIE
- 2. KOPIE DER KOPIE DER KOPIE
- 3. ALL YOU CAN EAT
- 4. DIE KUNST DES CRACKENS
- 5. CRACKERETHIK
- 6. RAUB, KOPIE, PHILOSOPHIE
- 7. IM PARAGRAPHENDSCHUNGEL
- 8. DAS IMPERIUM UND SEINE REBELLEN
- 9. AUFRUHR IM SYSTEM
- NACHWORT 256
- INTERVIEWS
- GLOSSAR 279
- ANMERKUNGEN 290