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Kultur, Öffentlichkeit und Politik | 37
retisiert der Symbolische Interaktionismus in der Tradition Deweys, wie Erfah-
rungen über symbolisch bzw. kommunikativ vermittelte Handlungen organisiert
werden (Goffmann, 1974).
2.3 KULTURPOLITIK UND IDEOLOGIE
Der Bereich der Kulturpolitik – der expliziten wie der impliziten (Ahearne,
2009) – ist ein hochideologisierter Bereich, der von Konflikten um die Deu-
tungsmacht geprägt ist. Kulturpolitik wird dabei „von öffentlichen und partiku-
lären Interessen gelenkt“ (Zembylas, 2017c: S. 150). Darin steckt bereits ein ho-
hes Maß an Komplexität: So ist der Staat einerseits als Eigentümer von Kultur-
einrichtungen von partikulären Interessen geleitet und andererseits gefordert, zur
Legitimierung seines Handelns einen „allgemeinen, politischen Konsens über die
Staatsaufgaben“ (ibd.) herzustellen. Hinzu kommen weitere partikuläre Interes-
sen, etwa jene der politischen Parteien und Interessensverbände, die sowohl re-
alpolitisch-ideologisch als auch pragmatisch konnotiert sind. So wird die „Be-
rücksichtigung der kulturellen Präferenzen der eigenen Wählergruppe“ (ibd.)
auch von einer Marktrationalität unter der Berücksichtigung von politischem
Wettbewerb, Angebot und Nachfrage (weniger oder mehr) und Nutzenerwartun-
gen (für die Partei/wählerseitig von der Partei) getrieben. Nach marxistischer
Lesart werden Parteien und ihre WählerInnen durch ideologische Grundeinstel-
lungen und Wertehierarchien als Werkzeuge zur Konformitätserzeugung für ein
integrativ bzw. disziplinierend und komplexitätsreduzierend wirksames Wahr-
heitskonstrukt zusammengehalten. Parteien erfinden bzw. bedienen sich Ideolo-
gien, um Mehrheiten zu gewinnen. Die so erzeugte bzw. legitimierte Ungleich-
heit ist somit materiell und symbolisch konnotiert (Hawkesworth, 2016: S. 354).
Kultur betrifft uns alle – aber sie betrifft uns unterschiedlich. Dies entspricht ei-
nem Demokratieverständnis, das mit Hannah Arendt Politik als das „Zusammen-
und Miteinander-Sein der Verschiedenen“ (Arendt, 2003: S. 9) begreift. Die mit
Kultur verbundenen ideologischen, nach Max Weber materiell-semiotischen Be-
deutungen changieren in Spannungsfeldern, etwa zwischen Individuum und Ge-
sellschaft, Differenz und Identität, Hegemonieansprüchen und Deutungsoffen-
heit, Investition und Ermöglichung, Kritik und Verteidigung. Hannah Arendt
entlarvt die ideologischen Wahrheitskonstrukte, die partikulären (partei-)politi-
schen Interessen dienen. Nicht Wahrheit, sondern Meinung gehört zu den „uner-
lässlichen Voraussetzungen aller politischen Macht“ (Arendt, 2016: S. 51). Der
Gültigkeitsanspruch der Ideologien als Wahrheitskonstrukte schließt aber jede
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293