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112 | Cultural Governance in Österreich
Theory und die Verfahren der Abduktion (Peirce 1866), Retroduktion, Triangu-
lation unterschiedlicher Datenquellen und kontrafaktische Gedankenexperimente
können im Rahmen von Interpretationen zu neuen Erkenntnissen führen (Ansell,
2016: S. 96).
Problematisiert wird der Fokus von interpretativen Politikfeldanalysen auf
das Individuum bzw. die individuelle Akteursebene. Darüber hinaus wird die
Einbindung individueller AkteurInnen in Handlungssituationen und Soziale Wel-
ten als „situated rationalities“ bzw. „commitments to action“ in den Blick ge-
nommen. Anhand der Einbindung von individuellen AkteurInnen in kollektive
Soziale Welten (Clarke, 2012) und ihrem Rückgriff auf verschiedene argumenta-
tive Rechtfertigungsprinzipien („Welten“ nach (Boltanski, Thévenot, 2014)) in
Situationen und Arenen sollen Prozesse der Entscheidungsfindung, Vergemein-
schaftlichung, Institutionalisierung und Kritik nachvollzogen werden. Diese Stu-
die ist damit im Bereich der pragmatisch orientierten interpretativen Policy-
Analysen verortet (Ansell, 2016), die Handlung als Form von dialogischer
Kommunikation (symbolischer Interaktion/Handlung und Interpretation) be-
trachtet.
5.2 FOKUS AUF DIE SITUATION
Der niederländische Politikwissenschaftler Hendrik Wagenaar spricht von „me-
aning in action“: Interpretationen sind in politischen bzw. Governance-
Zusammenhängen nicht vorwiegend kognitiv (wie beispielsweise bei einem In-
terpretationsstreit zwischen WissenschaftlerInnen), sondern auch praktisch, in
das politische Handeln integriert (Wagenaar, 2011) und damit zweckorientiert.
Im Sinn des Pragmatismus sind sie damit auf die Lösung von Problemen – Situa-
tionen – gerichtet (Keller, 2012: S. 41-43). In solchen Vorgängen ist Reden auch
Handeln (Arendt, 2003: S. 48), allerdings unterscheidet sich die Freiheit der
Meinungsäußerung von „der dem Handeln eigentümlichen Freiheit, einen neuen
Anfang zu setzen“, dadurch, dass die Meinungsäußerung „auf die Anwesenheit
anderer und das Konfrontiert-Werden mit ihren Meinungen angewiesen ist“
(ibd., S. 50).
Die Überlegung, Bewertung und Abwägung von politischen Konzepten und
Argumenten – Rechtfertigungen mit dem Zweck der Überzeugung als Lösung
der Situation – ist politisches Handeln (Habermas, 1981) und eine Kernpraxis
der Politik. Die Qualität der Abwägungsprozesse von Konzepten und Argumen-
ten (das Wie der Entscheidungsfindungsverfahren) beeinflusst die Qualität des
politischen Handelns, die sich letztlich an den Reaktionen der direkt oder indi-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293