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40 | Cultural Governance in Österreich
2.4 KULTURPOLITISCHE POSITIONIERUNG VON STAAT
UND ZIVILGESELLSCHAFT
Aus diskurstheoretischer Perspektive identifiziert Jim McGuigan (2004: S. 33-
59) in der Kulturpolitik die drei dominierenden Diskurse „Stating“, „Marketi-
zing“ und „Communicating“, die den drei Kräften Staat, Markt und Zivilgesell-
schaft zugeordnet sind. Diese diskursiven Räume definieren nach McGuigan die
Soziale Welt der Kulturpolitik und positionieren die darin Handelnden als Pro-
duzentInnen, KonsumentInnen, BürgerInnen, VermittlerInnen (McGuigan, 1996:
S. 35). Die Soziale Welt der Kulturpolitik ist somit durch konkurrierende Dis-
kurse gekennzeichnet. Dabei ist keineswegs klar, wer welche Position einnimmt.
Der Staat ist Eigentümer von Kultureinrichtungen und damit wirtschaftlicher
Unternehmer und Marktakteur, zugleich erbringt er Leistungen im Sinne des
Allgemeinwohls.
BürgerInnen haben als KonsumentInnen die Möglichkeit, zwischen staatlich
subventionierten Kulturangeboten und jenen des freien Marktes zu wählen. Pro-
duzentInnen von Kunst und Kultur sind sowohl jene, die einen künstlerischen
Beruf gewählt haben und daraus ihr Einkommen beziehen, als auch jene, die in
ihrer Freizeit künstlerisch tätig sind beziehungsweise sich auf ehrenamtlicher
Basis engagieren – teilweise in persona. Zuordnungen sind bei näherer Betrach-
tung nicht klar, sondern vage und provisorische, temporäre Positionen. Die Welt
der Kultur ist unordentlich und damit konfliktträchtig und voller Dilemmata,
„messy challenges“ (Fischer, Gottweis, 2012: S. 7). Daher werden laufend auf
kommunikative, pragmatische, interpretative und kreative Weise Erfahrungen
organisiert, Ordnungen verhandelt und temporär hergestellt. Somit ist auch die
staatliche Definitionsmacht über Kultur (Gray, 2012: S. 506) beziehungsweise
die kulturelle Hegemonie des Staats (Zembylas, 2004: S. 54) nicht dominierend
(was in einer Totalität einem faschistischen Staat entsprechen würde). Weder die
Ziele (Was?), noch die Verfahren (Wie?), noch die Verantwortung (Wer hat x
getan?), noch die Begründung (Warum so?) und die Rechtfertigung (Warum ist
es richtig so?) (Zembylas, 2004: S. 318) von Kulturpolitik ist eindeutig, sondern
Gegenstand von Verhandlungen und Konflikten, die in einer komplexen Arena
ausgetragen werden.
Die Möglichkeit dieser Uneindeutigkeit, die Möglichkeit von Verhandlungen
kann einerseits als Stärke einer stabilen, offenen, pluralistischen, demokratischen
Gesellschaft interpretiert werden. Andererseits kann die Uneindeutigkeit kritisch
als Verschleierung von Macht gedeutet werden, bei der vorgetäuscht wird, dass
es keine Rolle spielt, „ob man die Welt mittels bürokratischer Effizienz oder der
Rationalität des Marktes zu organisieren versucht“ (Graeber, 2015: S. 51). Der
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293