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Theoretische Situierung | 59
3.2 HANDLUNGSTHEORETISCHE SITUIERUNG
Sowohl Jürgen Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns mit dem kon-
stitutiven Merkmal der Deliberation, als auch John Deweys demokratischer Ex-
perimentalismus ebenso wie Chantal Mouffes Betonung der pragmatischen Aus-
handlung in einem gemeinsamen Raum weisen auf die Performativität von De-
mokratie hin, die semantisch offen und konstant „in the making“ ist. Damit wird
eine Brücke zur handlungstheoretischen Situierung hergestellt. Im Folgenden
wird diese Brücke weiter ausgebaut, um dann in der empiriegestützten Analyse
in Kapitel 0 und 7 sowohl die Koordinierung von Handlungsvorgängen als auch
deren Orientierung an handlungsleitenden bzw. -begründenden (Rechtferti-
gungs-)Prinzipien (Boltanski, Thévenot, 2014) in Situationen und in Sozialen
Welten und Arenen (Clarke, 2012) nachvollziehen zu können.
3.2.1 Macht, Kommunikation und Handeln
Nach Hannah Arendt entspringt Macht „der menschlichen Fähigkeit, nicht nur
zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen
und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln“ (Arendt, 1970: S. 45). Eine wesent-
liche Basis von Macht ist damit die Fähigkeit, kooperativ zu handeln und dabei,
wenn notwendig, die eigenen Interessen hinter die gemeinschaftlichen Interessen
zurückzustellen. Luc Boltanski und Laurent Thévenot sprechen von der staats-
bürgerlichen Welt als der Welt, in der der Verzicht auf Partikularinteressen und
damit das Prinzip der Solidarität wesentlichen Investitionen sind (Boltanski,
Thévenot, 2014: S. 260). In Sozialisationsprozessen, als Arbeit an der Kultur er-
werben Menschen die kulturell-kognitive Fähigkeit, nicht nur unmittelbare Be-
ziehungen innerhalb der Familie und Nachbarschaft zu pflegen, sondern auch
räumlich und zeitlich perspektivisch zu handeln, Grenzen zu überschreiten, neue
Möglichkeiten zu erproben.
„Während lokale Subjekte sich der andauernden Aufgabe widmen, ihre Nachbarschaft zu
reproduzieren, enthalten geschichtliche Kontingenzen, Umwelt und Vorstellungskraft das
Potential zur Erzeugung neuer Kontexte (materielle, soziale und imaginative).“ (Ap-
padurai, 2015: S. 160)
Innere, kulturell-kognitive und äußere, soziale und umweltbezogene Faktoren
fordern den Menschen also dazu heraus, auch im Widerstand zu bestehenden,
vermeintlich stabilen „Nachbarschaften“ (ibd.) als institutionellen Schließungen,
die durch Rituale, administrative Praktiken erzeugt werden, zu handeln.
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293