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© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1/6 a, A-1080 Wien
https://doi.org/10.7767/9783205212355 | CC BY 4.0
1. Zensur und Förderung
Nach dem „Anschluss“ wurde am 11.6.1938 die Reichskulturkammergesetzgebung im Lande
Österreich7 eingeführt, damit war die innerösterreichische Auseinandersetzung um den herrschenden
Kanon vom Tisch gewischt, die Spaltung war vollzogen.
Da der größte Teil der Belletristik österreichischer Autoren in Deutschland verlegt und vertrieben
wurde und die österreichischen Verleger auf den deutschen Buchmarkt in hohem Grade angewiesen
waren, waren die Maßnahmen Deutschlands für sie von entscheidender Bedeutung, verursachten
existentielle Probleme und lösten einen damit verbundenen Anpassungsdruck aus. Wesentlich ist die
Unterscheidung, ob dort eine Einzelschrift indiziert wurde – dies bedeutete für die Autoren beider
Länder kein generelles Publikationsverbot und behinderte nicht ihre Integration in den Literaturbe-
trieb: So wurden z. B. Texte von Werner Bergengruen, Arnolt Bronnen, Rudolf Brunngraber, Wer-
ner Jansen, Alexander Lernet-Holenia, Frank Thiess, Anton Zischka, ja selbst vom Landesleiter der
Reichsschrifttumskammer (RSK)-Wien Karl Hans Strobl verboten, dies hemmte jedoch nicht ihren
Erfolg während des Nationalsozialismus. Wurde dagegen das Gesamtwerk indiziert, so inkludierte
dies die Aussperrung vom literarischen Markt und damit die Bedrohung der existentiellen Grundlage.
Die österreichischen Nationalsozialisten konnten den Vorgaben aus dem Nachbarland nicht nach-
stehen: Unmittelbar nach Hitlers Machtantritt und den Bücherverbrennungen in Deutschland wird
–
initiiert vom österreichischen Kampfbund für deutsche Kultur (KdK) – die zunächst v. a. ökonomisch
folgenreiche radikale Spaltung des literarischen Lebens Österreichs betrieben. Die erste und einzige
„schwarze“ Proskriptionsliste8 verfasste der Wiener Bibliothekar Karl Wache Die Säuberung des deut-
schen Buchwesens vom jüdischen Geiste im Deutschen Reiche und wir Österreicher (Wache33), eine
– was
Österreich betrifft
– ausdifferenzierte Weiterführung der deutschen LHerrmann33 und der Schwarzen
Liste33, die v. a. auf jene Personen verweist, die von den Bücherverbrennungen „äußerst stiefmütterlich
behandelt“ worden seien. Im selben Jahr ist man auch hinsichtlich der Präsentation des neuen Kanons
der „weißen Listen“ hoch aktiv: Bereits 1932 hatte der Bücherbrief32 eine erste Empfehlungsliste vor-
gelegt, einen Monat vor Wache33 erschien
– ebenfalls in den Mitteilungen des österreichischen KdK
–
die Wegtafel33, Wache steuerte noch vor dem NSDAP-Verbot sein Standardwerk zum NS Deutscher
Geist in Oesterreich bei. Das repräsentativste Sammelwerk Dichterbuch gab Max Morold, ebenfalls Mit-
glied des KdK und höchst wahrscheinlich Bekannter von Josef Cerny, heraus, etwa gleichzeitig erschien
im Berliner VB die Liste Hohlbaum33
– sie alle signalisieren v. a. dem deutschen Markt den nationalso-
zialistischen Kanon und bedrohten den Absatz der nicht genehmen Autoren Österreichs.
Stärker als in Deutschland waren der österreichische KdK und sein Nachfolger, die Kulturgemein-
schaft, zumindest bis 1935 die treibenden Kräfte bei der Spaltung des literarischen Systems: Letztere
steuerte im Vorfeld der Erstellung der deutschen Verbotslisten (LSUS35) eine Liste der zu fördernden
bzw. der abzulehnenden Schriftsteller (Liste Graz35) bei, welche über den von Hans Steinacher geleite-
ten Berliner VDA an Redaktionen deutscher Kulturzeitschriften gesandt worden war, und
– ein Spe-
zifikum
– auch die Namen von Aktivisten des autoritären „Ständestaats“ sowie deren Sympathisanten
enthält. Die Rosenberg’schen Kulturorganisationen waren sowohl bei den „schwarzen“ als auch bei
7 RGBl.I 1938, 624
– Handbuch-RSK42, 20.
8 Vor Okt. 1939 erstellte der Schrifttumsreferent im RPA Wien, Dr. Karl Schasching, eigenmächtig eine
eigene Verbotsliste, die im Widerspruch zur Linie des RMVP bzw. der RSK stand und die er noch dazu
öffentlich an die Wiener Buchhändler versandte (Bericht des RSK Haushaltsref. Ritter v. 6.10.1939. BAB/
BAK R56V/57, 222). Die Liste konnte nicht eingesehen werden.
Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
Band 5 der Reihe Literatur in Österreich 1938–1945
- Title
- Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
- Subtitle
- Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
- Author
- Uwe Baur
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21235-5
- Size
- 17.3 x 24.4 cm
- Pages
- 478
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Das Gesamtwerk 9
- Vorbemerkung zu diesem Band 13
- 1. Zensur und Förderung 15
- Einleitung 15
- Österreichische Listen 1933–1938 17
- Einleitung 17
- Der Bücherbrief (1932) 24
- Die Wegtafel (Mai 1933) 25
- Die deutsche Dichtung Österreichs (9.6.1933) 25
- Die Säuberung des deutschen Buchwesens vom jüdischen Geiste im Deutschen Reiche und wir Österreicher (Juni 1933) 26
- Dichterbuch (1933) 27
- Indizierungslisten Österreichs 1933–1938 28
- Liste der zu fördernden bzw. der abzulehnenden Schriftsteller (1935) 30
- Gegenwartsdichtung in Österreich (1935) 32
- Geist und Macht (1938) 33
- Österreich. Ein Bücherverzeichnis (1938) 34
- Deutsche Listen 1933–1945 35
- a. Verbotslisten 35
- b. Zentrale Empfehlungslisten 50
- Schriftsteller-Verzeichnis der Reichsschrifttumskammer (1942) 50
- Nationalsozialistische Bibliographie der Parteiamtlichen Prüfungskommission (1936–1943) 54
- Jahres-Gutachten-Anzeiger des Amtes Rosenberg (1936–1944) 56
- Kataloge zur „Woche des deutschen Buches“ des RMVP (1936–1942) 62
- Gottbegnadeten-Liste 65
- c. Spartenbezogene Empfehlungslisten 68
- 1. Jugendschriften-Verzeichnisse 68
- Einleitung 68
- Das Jugendbuch im Dritten Reich (1933) 69
- Das Buch der Jugend (1934–1942) 70
- Das Buch der deutschen Jugend (1939/40) –
- Das deutsche Jugendbuch (1940/41) 74
- 2. Vorschlagslisten für Dichterlesungen 76
- 3. Empfehlungslisten für Leihbüchereien und Buchhandlungen 79
- 4. Sonstige 84
- Das deutsche Bauernschrifttum in der deutschen Dichtung (Amt Rosenberg 1933) 84
- Einladungsliste für kulturelle Veranstaltungen und Empfänge (RPA Wien, Juni 1940) 85
- Geburtstagsbücher für den Führer (Amt Rosenberg 1943) 85
- Entnazifizierung 87
- Österreich 87
- Liste der gesperrten Autoren und Bücher (1946)/Nachträge 87
- Deutschland 90
- Liste der auszusondernden Literatur/Nachträge (1946–1953) 90
- 2. Vereine im literarischen Feld Österreichs 1933–1945 95
- Einleitung 95
- Literarische Gruppenbildungen nach dem liberalen Vereinsgesetz bis 1938 96
- Literarische Vereine im totalitären „Ständestaat“ 99
- Landeskulturamt der NSDAP-Landesleitung Österreich (1933–11.7.1938) 100
- Vereine im Nationalsozialismus ab März 1938 105
- Chronologie der literarischen Gesellschaften und Autorengruppen in Österreich zwischen 1933 und 1945 113
- Literarische Gesellschaften und Autorengruppen A–Z 119
- 3. Anthologien 1933–1945 271