Page - 23 - in Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945 - Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
Image of the Page - 23 -
Text of the Page - 23 -
23
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1/6 a, A-1080 Wien
https://doi.org/10.7767/9783205212355 | CC BY 4.0
Österreichische Listen 1933–1938
nicht kontrollierte „Arisierungen“ vorzunehmen und kommissarische Verwalter einzusetzen: „Was
in dieser Zeit an Büchern, Zeitschriften, Kunstdrucken, Handschriften, Graphiken und Musikalien
beschlagnahmt, in Privatbesitz verschwand oder organisiert abgeschleppt wurde, kann nicht ermittelt
werden.“24 Bei diesen v. a. gegen Juden, Marxisten und Repräsentanten des „Ständestaats“ gerichteten
Raubaktionen spielten die Schwarzen Listen Deutschlands und der österreichischen Nationalsozia-
listen vermutlich nicht viel mehr als eine legitimierende Rolle. Erste organisierte Anläufe machten
Lehrer aus dem Umfeld des bis dahin verbotenen NSLB, die in Salzburg und Villach am 30.4.1938
–
dem Vorabend des „Nationalen Feiertages des deutschen Volkes“ – und in Reisach im Gailtal am
17.5.1938 zu dem erprobten Mittel der Bücherverbrennung griffen.25 Gl. Bürckel suchte aus eige-
nem Machtinteresse die Übernahme der Reichsgesetze – in diesem Zusammenhang die der RKK
von Joseph Goebbels
– zu verzögern,26 erst am 11.6.1938 wurde deren Gesetzgebung eingeführt und
damit wurden deren Indizierungslisten auch für Österreich gültig, der innerösterreichische Kampf
um den Kanon war entschieden. In der LSUS38, die Ende 1939 erschien, ist der „Anschluss“ des un-
erwünschten Schrifttums Österreichs besonders berücksichtigt worden, auch Generalverbote gegen
die aus Wien geflüchteten Verleger Bermann-Fischer (Stockholm) und Herbert Reichner (New York)
sind verzeichnet. Um die Spaltung des literarischen Systems zu verdeutlichen, wird in den folgenden
Artikeln zu den einzelnen Indizierungslisten versucht, auch die nicht im Handbuch besprochenen
AutorInnen Österreichs zu nennen, jene die verfolgt wurden oder ins Exil gingen.
Im August 1938 reagierte das RMVP auf die Raubaktionen, indem es beim RPA Wien ein Zent-
rum des ‚Terrors gegen das Buch‘, die Bücherverwertungsstelle unter dem Leipziger Bibliothekar Albert
Paust einrichtete,27 deren Aufgabe es war, die beschlagnahmten Buchbestände zu zentralisieren, zu
sichten und zu verwerten, sie rechnete mit ca. zwei Millionen geraubten Büchern, davon waren nur
ca. 15–20 % entsprechend der LSUS „unerwünschte“ Texte, bis Nov. 1938 wurden die Bestände von
250 jüdischen Verlegern und Buchhändlern konfisziert,28 Ende des Jahres waren die letzten jüdischen
Unternehmen liquidiert. Abgesehen vom Verkauf der Schätze wurde ein Verteilerschlüssel angelegt,
in dem die Parteibonzen und die großen Bibliotheken Deutschlands vertreten waren, u. a. auch die
Universitäts- und die Österreichische Nationalbibliothek in Wien, als Nutznießer der ‚größten Bü-
cherverwertungs- und -vernichtungsaktion in der österreichischen Geschichte‘. Nur die öffentlichen
Bibliotheken begannen zur Jahrhundertwende eine Bestandsaufnahme der fragwürdigen Erwerbun-
gen vorzunehmen, erst 2003 schloss die Österreichische Nationalbibliothek ihre ab, Ende 2017 die
Grazer
– Basis für eine allzu verspätete Restitution.29
Die in der Folge angeführten schwarzen und weißen Listen, einer paradigmatischen Anthologie
und Literaturgeschichte illustrieren die Positionen von ständestaatlicher und nationalsozialistischer
24 Seifert00, 179
– Ein Beispiel: Joseph Handl säuberte als „Kulturwart“ angeblich auf höheren Befehl bereits
am 12.3.1938 im 10. Bezirk Wiens „die öffentlichen Büchereien von jüdischen und uns weltanschaulich
fremden Autoren“.
25 Karl Müller in Zwischenwelt 30.2013, H.2, 38.
26 Seifert00, 175.
27 Seifert00, 179, 188.
28 Seifert00, 182–186.
29 Murray G. Hall, Christina Köstner: „... allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern ...“ Eine österreichi-
sche Institution in der NS-Zeit. Wien 2006.
– Birgit Scholz, Markus Lenhart (Hg.): Was bleibt? Bibliothe-
karische NS-Provenienzforschung und der Umgang mit ihren Ergebnissen. Graz 2017.
Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
Band 5 der Reihe Literatur in Österreich 1938–1945
- Title
- Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
- Subtitle
- Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
- Author
- Uwe Baur
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21235-5
- Size
- 17.3 x 24.4 cm
- Pages
- 478
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Das Gesamtwerk 9
- Vorbemerkung zu diesem Band 13
- 1. Zensur und Förderung 15
- Einleitung 15
- Österreichische Listen 1933–1938 17
- Einleitung 17
- Der Bücherbrief (1932) 24
- Die Wegtafel (Mai 1933) 25
- Die deutsche Dichtung Österreichs (9.6.1933) 25
- Die Säuberung des deutschen Buchwesens vom jüdischen Geiste im Deutschen Reiche und wir Österreicher (Juni 1933) 26
- Dichterbuch (1933) 27
- Indizierungslisten Österreichs 1933–1938 28
- Liste der zu fördernden bzw. der abzulehnenden Schriftsteller (1935) 30
- Gegenwartsdichtung in Österreich (1935) 32
- Geist und Macht (1938) 33
- Österreich. Ein Bücherverzeichnis (1938) 34
- Deutsche Listen 1933–1945 35
- a. Verbotslisten 35
- b. Zentrale Empfehlungslisten 50
- Schriftsteller-Verzeichnis der Reichsschrifttumskammer (1942) 50
- Nationalsozialistische Bibliographie der Parteiamtlichen Prüfungskommission (1936–1943) 54
- Jahres-Gutachten-Anzeiger des Amtes Rosenberg (1936–1944) 56
- Kataloge zur „Woche des deutschen Buches“ des RMVP (1936–1942) 62
- Gottbegnadeten-Liste 65
- c. Spartenbezogene Empfehlungslisten 68
- 1. Jugendschriften-Verzeichnisse 68
- Einleitung 68
- Das Jugendbuch im Dritten Reich (1933) 69
- Das Buch der Jugend (1934–1942) 70
- Das Buch der deutschen Jugend (1939/40) –
- Das deutsche Jugendbuch (1940/41) 74
- 2. Vorschlagslisten für Dichterlesungen 76
- 3. Empfehlungslisten für Leihbüchereien und Buchhandlungen 79
- 4. Sonstige 84
- Das deutsche Bauernschrifttum in der deutschen Dichtung (Amt Rosenberg 1933) 84
- Einladungsliste für kulturelle Veranstaltungen und Empfänge (RPA Wien, Juni 1940) 85
- Geburtstagsbücher für den Führer (Amt Rosenberg 1943) 85
- Entnazifizierung 87
- Österreich 87
- Liste der gesperrten Autoren und Bücher (1946)/Nachträge 87
- Deutschland 90
- Liste der auszusondernden Literatur/Nachträge (1946–1953) 90
- 2. Vereine im literarischen Feld Österreichs 1933–1945 95
- Einleitung 95
- Literarische Gruppenbildungen nach dem liberalen Vereinsgesetz bis 1938 96
- Literarische Vereine im totalitären „Ständestaat“ 99
- Landeskulturamt der NSDAP-Landesleitung Österreich (1933–11.7.1938) 100
- Vereine im Nationalsozialismus ab März 1938 105
- Chronologie der literarischen Gesellschaften und Autorengruppen in Österreich zwischen 1933 und 1945 113
- Literarische Gesellschaften und Autorengruppen A–Z 119
- 3. Anthologien 1933–1945 271