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58 | Barocke Möbel und sakraler Raum
räumen beobachten, die ebenfalls strengen Hierarchien unterlagen ? Das Presbyterium
mit dem Hauptaltar stand selbstredend an der Spitze der hierarchischen Ordnung, die
den Laien zugänglichen Abschnitte am Ende der Skala. In seinen Studien wies Ulrich
Schütte nach, dass der Kirchenraum als irdischer Thronsaal Gottes verstanden wurde,
Ursula Brossette kam bei ihren Recherchen zu ähnlichen Ergebnissen.122 Vergleichbar
mit dem Hofrecht in Schlossanlagen galt in Sakralräumen ein dem jeweiligen Anlass
angepasstes Zeremoniell. Es legte die Liturgie fest und normierte das Verhalten der
Geistlichen und Kirchenbesucher. Eucharistiefeiern waren ritualisierter Dienst, auch
darin entsprachen sie dem Zeremoniell im profanen Bereich.123 Folgt daraus, dass Ar-
chitekten und raumausstattende Künstler gewisse Grundregeln, die sie im Schlossbau
beachteten, auf die Gestaltung von Kirchenräumen übertrugen ? Existierte ein Zu-
sammenhang zwischen der Qualität der Möbel und ihrem Aufstellungsort innerhalb
des Sakralraums ? Und war das Mobiliar im barocken Raum integriert oder war sein
Standplatz beliebig und konnte jederzeit geändert werden ? Der folgende Abschnitt
der Studie versucht, einige Antworten auf diese Fragen zu geben.
Sakristeimöbel
Die Paramentenschränke von 1654 in der Prälatensakristei der Abtei Schlägl gelten als
die frühesten freistehenden Exemplare in Österreich, deren Maße unmittelbar von der
Größe des Raums bestimmt wurden, zu dessen Ausstattung sie gehören.124 Ältere Mö-
belstücke, etwa jene in Lilienfeld von 1646, sind Aufsatzschränke, mit denen nahezu
jedes Zimmer eingerichtet werden könnte, dagegen übernehmen die Möbel in Schlägl
die Länge und Höhe der Wandfläche, vor der sie stehen. Die Möbel wurden speziell
für diesen Raum geschaffen, mit ihrer Großform passen sie exakt in dieses Umfeld.
Die mit Säulen, Pilastern und Ädikulen als zweigeschossige Fassaden konzipierten
Schränke ersetzen im Grunde genommen die hinter ihnen liegende Wand. Unmittel-
barer Vorläufer für diese Art von Sakristeimöbeln war vermutlich die Einrichtung von
St. Zeno in Bad Reichenhall aus den 1640er-Jahren125, doch dürften sich solche Mö-
belgarnituren aus fest eingebauten Wandschränken wie jenen in der Domsakristei zu
Graz heraus entwickelt haben (Abb.
162). Auf die Möbel in Schlägl folgte 1657/58 die
architekturgebundene Sakristeiausstattung von St. Lambrecht (Abb. 263–269), deren
122 Schütte, Zeremoniell (1995) ; Brossette, Inszenierung (2002), Bd. 1, 582.
123 Zu den Analogien zwischen Zeremoniell und Liturgie vgl. Schütte, ebd.
124 Ausgeklammert seien hier fest montierte Wandschränke wie jene im Dom zu Graz (Abb. 162), die
Nischen im Mauerwerk ausfüllen und schon lange bekannt waren.
125 Zur Einrichtung von St. Zeno s. Renz-Krebber, Sakristeischränke (1998), 45.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587