Page - 60 - in Sakralmöbel aus Österreich - Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
Image of the Page - 60 -
Text of the Page - 60 -
60 | Barocke Möbel und sakraler Raum
In den meisten anderen Sakristeien, die für das Forschungsprojekt untersucht wur-
den, hat man die Möbel deutlich von der Gestaltung des Baukörpers geschieden. Die
Sakristeieinrichtung in der ehemaligen Domkirche zu Gurk bietet hierfür ein gutes
Beispiel (Abb. 38–41). Die Tischler passten dort das Möbelensemble und die Vertä-
felung um 1702 ein. Wie die Abbildungen zeigen, rhythmisieren zwar hohe Schnitz-
aufsätze die Sakristeischränke, doch stehen sie in keinerlei Beziehung zum architekto-
nischen Gerüst des Gewölbes. Interieur und Raum wurden als voneinander getrennte
Entitäten aufgefasst.
Chorgestühle
Das Chorgestühl der mittelalterlichen Piaristenkirche zu Krems stammt von etwa
1620 oder 1630. Es wurde zwischen den schlanken Chorpfeilern aufgerichtet, wobei
es wegen der Sakristeitür auf der Kirchennordseite unumgänglich war, auf einen Teil
der Brüstung und der Stallen zu verzichten. Außerdem musste die Rückwand dem
Umriss der Tür angepasst werden. Schon das Gesamterscheinungsbild dokumentiert
den nachträglichen Einbau des Möbels. Eine Verschmelzung von Mobiliar und Ar-
chitektur war offensichtlich nicht angestrebt. Anders das Chorgestühl der Augustiner-
Chorherren in St. Florian : Die Grundsteinlegung zur Neuerrichtung der Stiftskirche
fiel in das Jahr 1685, die Einwölbung des Chors erfolgte 1689, das Möbelensemble
entstand in den 1690er-Jahren. Zusammen mit den beiden Emporen und der Chor-
orgel füllt es die kurzen Querhausflügel der Kirche aus. Beim Betreten des Sakralbaus
beeindrucken den Besucher zunächst die weit in den Raum ragenden Emporen mit
ihren schweren Brüstungen, das Chorgestühl selbst verbirgt sich zwischen den mäch-
tigen Stützen, die die Vierung tragen. Wenngleich es archivalisch nicht zu belegen
ist, ist die Wahrscheinlichkeit doch groß, dass das Gestühl zusammen mit der Kirche
geplant und nach einem gemeinsamen Konzept ausgeführt wurde.
1721/22 baute Hippolyt Nallenburg (1687–1733) das Chorgestühl der früheren
Augustiner-Chorherrenkirche zu St. Pölten und fügte es zwischen flache Pilaster ein.
Wie das bei Stallen des Augustinerordens häufig vorkommt, weichen die Sitzreihen in
der Gestühlsmitte zwei Türen, die in diesem Fall zur Sakristei, gegenüber zu einer Ka-
pelle führen. Das Abschlussgebälk des Möbels umfängt je ein ovales Supraportfenster
mit einer kräftigen C-Spange, zudem stellt ein mit reichen Schnitzarbeiten verzierter
Aufsatz einen optischen Bezug zu einem weiteren Fenster bzw. zu einem Blindfens-
ter her. Auch dieses Chorgestühl tritt nicht als eigenständiges Möbel in Erscheinung,
sondern als Inventarstück, dessen Gestaltung auf die Architektur Bezug nimmt. Die
Türen bilden zusammen mit den Fensteröffnungen vertikale Spiegel- und Raumach-
sen, das Gestühl ist perfekt in die Architektur integriert.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587