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76 | Österreichische Kunstlandschaften und regionale Charakteristika
grund.164 Die Rolle, die Mäzene bei der Entwicklung und Etablierung neuer Kunst-
richtungen spielten, kann jedenfalls kaum hoch genug eingeschätzt werden. Klammert
man einmal die Kunstlandschaft um Innsbruck aus, so lässt sich konstatieren, dass im
Möbelbau des 17. Jahrhunderts die Stilentwicklung österreichweit parallel vonstat-
tenging, in den großen Kunstzentren etwas früher als auf dem flachen Land und in
Gemeinden ohne eine finanzkräftige Kundschaft. Erst um die Wende vom 17. zum
18. Jahrhundert sollte sich das ändern.
Wien und Niederösterreich
Im fortgeschrittenen 17. Jahrhundert entwickelten in Frankreich Künstler wie Jean
Bérain d. Ä. und Daniel Marot (1661–1752) eine Formensprache, die man im deutschen
Sprachraum später als Laub- und Bandlwerk bezeichnen wird. Seine Grundstruktur
besteht aus miteinander verflochtenen Bändern, die sich in Schleifen über eine Fläche
legen und mit feinem Laubwerk verziert sind. In den 1690er-Jahren adaptierte der
Wiener Juwelier Friedrich Jacob Morisson (nachw. 1693 und 1697) in seinen Entwür-
fen die neuen Ornamentmotive, mit den Interieurs der Sommersakristei in Melk und
der Bibliothek in Heiligenkreuz entstanden bereits um 1701/02 entsprechende Tisch-
lerarbeiten.165 In der habsburgischen Residenzstadt und im Großraum der Metropole
präferierte man in jener Zeit französische Stilvorstellungen. Dabei waren vermutlich
nicht die Handwerker, sondern die Auftraggeber die Hauptakteure der neuen Bewe-
gung. Sie wandten sich um die Jahrhundertwende der Kunst Frankreichs zu, gleich-
wohl zeigt sich an vielen Möbeln aus jener Epoche noch italienischer Akanthus, das
1708/09 entstandene Laiengestühl der Piaristenkirche in Krems bietet hierfür ein gu-
tes Beispiel. Meist war der Akanthusstil damals aber nicht mehr in Reinform vertreten,
sondern quergeriffelte Bänder durchzogen und säumten nun das Laubwerk
– ein erster
Schritt hin auf dem Weg zur Übernahme des Bandlwerks. Ein Vergleich des Mobiliars
in der Piaristenkirche mit dem wenige Jahre zuvor entstandenen in der Wiener Domi-
nikanerkirche dokumentiert diese Entwicklung recht gut.
In den 1720er- und 30er-Jahren bauten Tischler in Wien und Niederösterreich eine
Reihe von Möbelstücken, an denen Zierformen, die im 17. Jahrhundert das Bild der
Möbelgarnituren prägten, nur noch rudimentär vorhanden waren, falls sie nicht völlig
fehlten. Das Gestühl in der Göttweiger Chorkapelle von 1727 verdeutlicht diese Phase
164 Franz, Ornamentvorlagen (2011), 33–45, 39 ; Polleroß, Einflüsse (2014).
165 Zu Morisson vgl. Ornamentstichsammlung des Wiener Museums für angewandte Kunst (MAK),
Druck : KI 2201-1.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587