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64 | Barocke Möbel und sakraler Raum
1730/40, 1760/70 ; Abb. 282, 283) aufbewahrt. Dort stehen die Beichtstühle vor einer
beliebigen Wand, ein kohärentes gestalterisches System ist nicht zu erkennen.
Kirchenbänke
Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656–1723) errichtete die Salzburger Dreifaltig-
keitskirche um 1700. Konzipiert hatte er sie als ovalen Zentralbau mit vier gewölbten
Kreuzarmen und tiefen Nischen in den mit mächtigen Pfeilern verstärkten Wandseg-
menten, auf denen die Kuppel aufliegt. Die Bänke wurden um 1702 vermutlich in der
Werkstatt des Hoftischlers Balthasar Köbl (1645–1711) gefertigt (Abb.
106–110). Das
Gestühl steht nicht wie üblich frei im Kirchenraum, sondern vor den bogenförmigen
Außenwänden, wobei es der Tischler in die ebenfalls abgerundeten Nischen einpasste.
Unterbrochen wird es lediglich von den Altarschranken und dem schmiedeeisernen
Gitter, das das Emporenjoch mit dem Eingang zur Kirche vom Hauptraum abgrenzt.
Damit verlieh man den Möbeln eine ringähnliche Form, die den Grundriss der baro-
cken Architektur nachzeichnet. Durch die Gruppierung der Bänke um das räumliche
Zentrum der Architektur führt Fischer den Zentralbaugedanken konsequent weiter.
Die Bänke in der Dreifaltigkeitskirche unterscheiden sich deutlich vom Laiengestühl
in anderen ovalen Bauten. Erinnert sei lediglich an die Möbel in der Peters- und der
Karlskirche, beide in Wien. Dort stehen sie wie in Anlagen mit basilikalem Grundriss
quer zur Kirchenlängsachse, wobei sie frontal auf den Altar hin ausgerichtet sind. Nur
durch ihre unterschiedliche Länge spiegeln die Bänke in den beiden Wiener Kirchen
die besonderen Grundrisse wider.
Schon im ersten Band der Untersuchung wurde auf das Laiengestühl in der Wiener
Jesuitenkirche aufmerksam gemacht. Getragen von einem zweigeschossigen Sockel,
überragt es durch seine Höhe die Bänke in den meisten österreichischen Kirchen
um 15 oder 20 cm. Deshalb und wegen seiner massiven Wangen formt das Gestühl
auf beiden Seiten des Mittelgangs eine brusthohe und optisch weitgehend geschlos-
sene Wand, die den Blick der Kirchenbesucher beim Betreten des Baus direkt auf den
Hauptaltar lenkt. Sie werden auf diese Weise angeleitet, ihre uneingeschränkte Auf-
merksamkeit dem ideellen Zentrum des Kirchenraums zu widmen.133
An einigen Bankgarnituren schaffen ikonographische Verweise einen Bezug zum
Sakralraum. Die im 17.
Jahrhundert gebauten Möbel in der Stiftskirche St.
Lambrecht
sowie in Mariahof und Pürgg (Abb. 202, 230, 261) tragen die Monogramme Christi
und Mariens. Ein jüngeres Gestühl befindet sich in der Wiener Augustinerkirche
und ist mit Reliefs versehen, die kultische Geräte des Alten und Neuen Bundes so-
133 Koller, Universitätskirche (2003), 58.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587