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66 | Barocke Möbel und sakraler Raum
Resümee
Der von Dekorationskünstlern betriebene Aufwand richtete sich im sakralen Bereich
einerseits an die Kirchenbesucher, andererseits an die Konvente, die Angehörigen von
Schwesterklöstern sowie an Geistliche aus nahegelegenen Abteien und Weltkirchen.
Im Schlossbau dienten Repräsentation und Zeremoniell in erster Linie der fürstlichen
Selbstinszenierung sowie der Sichtbarmachung von Rangunterschieden und gesell-
schaftlichen Hierarchien. Auf der Ebene der Peergruppen sollte der Prunk ebenso
seine Wirkung entfalten wie den Untertanen gegenüber. Johann Christian Lünig
(1662–1740) betonte in einem seiner häufig zitierten Beiträge, dass Luxus und Pracht
sowohl die Rechtmäßigkeit der auf göttlichem Willen beruhenden Gesellschaftsord-
nung als auch die Legitimität des Gewaltmonopols absolutistischer Herrscher unter
Beweis stellten.135 Viele der theoretischen Grundlagen, Vorstellungen und Überzeu-
gungen, die in der Profanarchitektur Bedeutung erlangten, lassen sich auf die Ent-
wicklung des kirchlichen Ritus und die Ausstattungen sakraler Räume übertragen.136
Welch hohen Stellenwert man Fragen der Repräsentation beimaß, belegen die pracht-
vollen Kircheneinrichtungen, die nicht zuletzt darauf abzielten, römisch-katholische
Sakralbauten im Sinne der Gegenreformation von Gebetshäusern anderer Glaubens-
richtungen abzuheben und die Kirche als ecclesia triumphans zu präsentieren. Zugleich
hatten bildliche Darstellungen, seien sie nun von einem Maler, einem Bildhauer
oder einem Stuckateur, sorgsam gewählte Glaubensinhalte zu vermitteln. Oft wur-
den dieselben Künstler mit der Ausführung der Deckengemälde in Kirchenräumen
und Sakristeien beauftragt, was den Schluss nahelegt, dass der Zwang zur visuellen
Selbstinszenierung nach innen hin dem nach außen gerichteten kaum nachstand.137
Ein weiteres Indiz dafür sind die Sakristeimöbel in St. Florian, Lilienfeld oder in
der Salzburger Domkirche (Abb. 117–120), die in ihrer Qualität kaum zu übertreffen
sind. Das Gleiche gilt für die Chorgestühle auf den Emporen von Rein, St.
Lambrecht
und Vorau (Abb. 243–248, 254–259, 275–278) oder für Gestühle hinter dem Altar.138
Diese Kunsterzeugnisse waren dem Auge des Kirchenbesuchers selbstredend verbor-
gen. Ein ähnlicher Befund gilt in Bezug auf die Gestühle in Heiligenkreuz, Krems,
St. Pölten, Dürnstein und Melk, die zwar für jeden sichtbar im Langhaus bzw. im
Chor der Sakralbauten ihren Platz haben, doch die Reliefs, die diese Gestühle aus-
zeichnen, werfen unweigerlich Fragen nach der Lesbarkeit auf. Denn aus der Pers-
135 Lünig, Theatrum ceremoniale (1719/20), Bd. 1, 5.
136 Schütte, Zeremoniell (1995).
137 Gierse, Bildprogramme (2010), 107–110.
138 Zu einem hinter dem Hauptaltar aufgestellten Gestühl vgl. Bohr, Sakralmöbel (2017), 156-158.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587