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„kümmerliche[] Ansätze[,] eine[] öffentliche[] Resonanz der Literatur“9 zu
erzeugen, gegeben habe.
Die Lyrikerin und Essayistin Elfriede Gerstl beklagte generell das kulturelle
Klima der 1950er Jahre und stellt dem „Kulturbetrieb“ ein vernichtendes Zeug-
nis aus:
In den 50er Jahren, in der Zeit der schwarz-roten Koalition in Österreich und des
kalten Krieges an allen Fronten, war die sogenannte Verwichtelung auch im Kul-
turbetrieb perfekt und allgemein. […] Eine […] zumeist aus Pen-Klub-Mitgliedern
bestehende Staatsliteratur gab den Ton an, hatte die Macht über Medien, Verlage
und Preisverleihungen und ebenso die Macht, alles von einer dementsprechend
lethargischen und versumperten Öffentlichkeit fernzuhalten, was sie selbst nicht
verstand oder was ihrem dem 19.
Jahrhundert abgelauschten Literaturverständnis
widersprach.10
Als „Literaturmafia“ bezeichnet Gerstl, die in den 1970er Jahren zu den Grün-
dungsmitgliedern der Grazer Autorenversammlung zählte und in deren Exeku-
tivkomitee tätig war, die Literaturbetriebsfunktionäre der 1950er Jahre.
Auch der Schriftsteller und bildende Künstler Günter Brus kritisiert die „alte
Garde“: „Lernet Holenia kennen, beschwor uns ein Deutschprofessor einst. Alles
aber, was ich von ihm las, war die Gedenkinschrift unter der Kuppel der neuen
Hofburg. Hans Feigl [d. i. Hans Weigel] bestimmte damals, was Literatur zu sein
habe. Er posierte im Café Hlavatka [d. i. Café Hawelka], seinen kritischen Blick
über den Hornbrillenrand hebend. Er sonnte sich im Gefühl, der erwartete neue
Karl Kraus zu sein. Mir grauste jedoch vor diesem Kräuslein.“11
Robert Menasse bezeichnet in seinem Essay „Die Entwicklung des österrei-
chischen Literaturbetriebes und seine Strukturierung im Geiste der Sozialpart-
nerschaft“ den Literaturbetrieb nach 1945 als monolithisch und sieht ihn dadurch
charakterisiert, dass „es in ihm nicht nur keine ästhetischen und politischen Dif-
ferenzen gegeben hatte, sondern nicht einmal Generationenkonflikte“,12 vergleich-
9 Wolfgang Kraus: Zwischen Trümmern und Wohlstand. Das literarische Leben in Österreich
von 1945 bis zur Gegenwart. Ein Essay. In: Herbert Zeman (Hg.): Geschichte der Literatur in
Österreich. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. 7. Graz: Akademische Druck- und Ver-
lagsanstalt 1999, S. 539–636, hier S. 597.
10 Elfriede Gerstl: Über Bayers Zweifel an der Kommunikationsfähigkeit der Sprache in einem
engeren privaten Sinn und inwiefern er verstanden oder mißverstanden wurde. In: Petra Nach-
baur, Sigurd Paul Scheichl (Hg.): Literatur über Literatur. Eine österreichische Anthologie.
Graz: Styria 1995, S. 163–168, hier S. 163.
11 Günter Brus: Das gute alte Wien. Salzburg, Wien: Jung & Jung 2007, S. 121.
12 Robert Menasse: Die Entwicklung des österreichischen Literaturbetriebes und seine Struktu-
rierung im Geiste der Sozialpartnerschaft. In: Ders.: Das war Österreich. Gesammelte Essays
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Biographische Einführung 45
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437