Page - 68 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Image of the Page - 68 -
Text of the Page - 68 -
Weissenborn, H. C. Artmann und René Altmann herausgegebene Zeitschrift
„alpha“, die sich vor allem der modernen Lyrik widmete und u. a. Werke von
Paul Celan, Hertha Kräftner, Friederike Mayröcker, Ernst Jandl und Gerhard
Rühm publizierte.93
Es sei der Vollständigkeit halber auch auf Literatur in der Tagespresse sowie
im Rundfunk hingewiesen. In ersterer fanden sich auf den Kulturseiten der grö-
ßeren Tageszeitungen Rezensionen, teilweise auch Abdrucke von Gedichten und
Kurzprosa sowie Fortsetzungsromane.94
Der Rundfunk spielte eine eher marginale Rolle für die jüngere Generation von
Autorinnen und Autoren, da diese schwer Zugang zu diesem Medium erhielt
und die Honorare sehr niedrig angesetzt waren. Im US-amerikanischen Besat-
zungssender „Rot-Weiß-Rot“, der seine Tätigkeit ab 1946 in Salzburg aufgenom-
men hatte und später eine Dependance in Wien eröffnete, arbeitete etwa Ernst
Schönwiese mit. Die im Rahmen der Re-Orientation erfolgte „Umerziehung“
der Österreicherinnen und Österreicher zu bewussten Demokraten wurde mit
Hilfe eines Unterhaltungsprogramms umgesetzt. Die US-amerikanischen Kul-
turoffiziere versuchten im kulturellen Leben Einfluss zu gewinnen, und so war
Rot-Weiß-Rot auch ein „Förderverein für antikommunistische Schriftsteller,
Journalisten und Künstler jüngeren Jahrgangs“.95 Ingeborg Bachmann arbeitete
im Script-Department des Senders; weitere Mitarbeiter waren Milo Dor, Rein-
hard Federmann, Herbert Eisenreich und Jörg Mauthe.
Dagegen stand die RAVAG, als deren Programmdirektor Henz fungierte und
deren Literaturabteilung Hans Nüchtern leitete, der zwischen 1924 und 1938 in
leitender Funktion dieser Institution gewesen war, unter der Kontrolle der sow-
jetischen Besatzungsbehörde. Gesendet wurden Literatur- und Zeitschriftenbe-
richte, Sendungen wie die „Russische Stunde“ dienten den Propagandazielen der
Sowjetunion im Kalten Krieg und führten, sehr zum Leidwesen von Henz, dazu,
dass die RAVAG mit der sowjetischen Besatzungsmacht assoziiert wurde.
In den Bundesländern bildeten sich Ende der 1950er Jahre dann zunehmend
durative Strukturen hinsichtlich eines Literaturbetriebs heraus: Mit dem in Graz
gegründeten „Forum Stadtpark“, einem Verein, der sich moderner Kunst und
Literatur widmen sollte und sich in seinen Statuten als parteipolitisch, ideolo-
93 Vgl. Hermann Schlösser: Von alpha zu ALPHA. Eine Wiener Lyrikzeitschrift der fünfziger
Jahre – heute gelesen. In: Polt-Heinzl, Strigl (Hg.): Im Keller, S. 117–134.
94 Fortsetzungsromane brachte sowohl die sozialdemokratische „Arbeiter-Zeitung, darunter von
Reinhard Federmann, Rudolf Brunngraber, Erika Mitterer und Johannes Mario Simmel als
auch die kommunistische „Volksstimme“, z. B. von Susanne Wantoch.
95 Joseph McVeigh: „Ohne dass der Hörer es kapiert…“ Der Sender Rot-Weiß-Rot im Kalten
Krieg. In: Hansel, Rohrwasser (Hg.): Kalter Krieg in Österreich, S. 265-279, hier S. 276.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
68 Der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437