Page - 93 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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ben. Trotzdem wollen wir an unserer Überzeugung festhalten, daß die Sphäre des
freien Geistes, die wir im Bereich unserer Aktivität entstehen ließen, nicht kom-
merzialisiert werden soll. Wir werden weiterhin dafür sorgen, daß niemandem,
der an unseren Veranstaltungen teilnimmt, irgendwelche Kosten entstehen. Obwohl
das Unterrichtsministerium unserem Standpunkt größtes Verständnis entgegen-
bringt (was Sie aus unserer Existenz und unserem Gedeihen ersehen), hat uns gera-
de der Erfolg in eine, wie wir glauben, vorübergehende, aber im Augenblick bedroh-
lich finanziellen Lage gebracht.43
Aufgrund des Fehlens des vom Bundesministerium für Unterricht herausgege-
benen „Kunstberichts“ für den Zeitraum 1961 bis 1969 ist eine genaue Beziffe-
rung der Förderungssummen nicht möglich. Es lassen sich aber indirekte Hin-
weise auf die offizielle Förderungspolitik finden. Zwar sind im Kunstbericht für
die Jahre 1970/71 ebenfalls keine Zahlen angeführt, jedoch bilanziert der im
darauffolgenden Jahr veröffentlichte Bericht eine Förderung der ÖGL in der
Höhe von 1.035.000 Schilling. Damit kann die ÖGL als der höchstdotierte lite-
rarische Verein auf österreichischem Boden gelten.
Im Vergleich: Die österreichische Sektion des P.E.N.-Club wurde mit 350.000
Schilling gefördert, der Österreichische Schriftstellerverband mit 50.000 Schil-
ling und der niederösterreichische Literaturkreis „Podium“ gar nur mit 5.000.
Die Förderung stieg in den 1970er Jahren stetig an: 1.117.000 Schilling (1973),
1.198.000 (1974), 1.198.000 (1975) exklusive der Förderungen bezüglich eines
Rainer-Maria-Rilke-Symposiums in der Höhe von 86.000 Schilling, einer außer-
ordentlichen Subvention in der Höhe von 20.281 Schilling sowie der Miete der
von der ÖGL installierten, sogenannten „Professorenwohnungen“, in denen sich
Schriftstellerinnen und Schriftsteller, aber eben auch Germanistinnen und Ger-
manisten für einen kürzeren oder längeren Aufenthalt in Wien niederlassen
konnten.
Obwohl es an „Anerkennung, Lobeshymnen und internationalem Echo“ nicht
mangelte, waren dennoch „[v]olle Säle, leere Kassen“ die jährliche Bilanz der
ÖGL, wenngleich es, so Kraus, „heute spürbar leichter ist, dem Unterrichtsmi-
nisterium begründete Subventionen abzuringen“.44
Auch in einem Interview mit der „Presse“ deutet Kraus die „beschränkte“
Subvention durch das Bundesministerium an, da Erfolg Geld koste. Da über die
ÖGL „sozusagen die Katastrophe des Erfolges“45 hereingebrochen sei: „Über-
füllte Säle, die von der Polizei abgeriegelt werden müssen, ständig klingende
43 Wolfgang Kraus an Heimito von Doderer, 13. Jänner 1965, NL WK.
44 N. N.: Volle Säle, leere Kassen. In: Wochenpresse, 15. Dezember 1971.
45 Karin Kathrein: Bremsklötze gegen den Erfolg. „Presse“-Gespräch mit dem Leiter der Gesell-
schaft für Literatur. In: Die Presse, 29. Dezember 1971.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 93
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437