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1950er Jahren konsequent an einer „Entkommunifizierung“ des österreichischen
Kulturlebens.70
Ein Negativbefund ist damit hinsichtlich österreichischer kommunistischer
Autorinnen und Autoren zu stellen. Diese bzw. kommunistische Sympathisan-
ten wurden, im Einklang mit der Politik der Großen Koalition, nicht eingeladen.
Kein Franz Kain, der seit den 1950er Jahren seine Werke in Verlagen der DDR
veröffentlichte und auch Karl Wiesinger, der mit Achtunddreißig (das 1967 im
ostdeutschen Aufbau-Verlag erschienen war, nachdem er in Österreich vergeb-
lich einen Verlag dafür gesucht hatte) einen der ersten Romane über den
„Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland geschrieben hatte, kam erst 1974
mit seiner „Kunstfigur“ Max Maetz zum Zug.71
Von der kommunistischen Presse protegierte Autorinnen und Autoren wie
etwa Leo Katz, Susanne Wantoch, Anneliese Eulau, Friedl Hofbauer, Otto Horn,
Leopold Keller, Paul Walter Kirsch, Helmut Pucher, Hans Ungar oder Arthur
West sucht man vergeblich im Programm.
Österreichische Intellektuelle, die der KPÖ angehörten, waren mit Beginn
des Kalten Krieges in eine „politische und gesellschaftliche Isolation“ gestoßen
worden, was dazu führte, dass es „außerhalb der kommunistischen Enklave“ für
sie „keinerlei Karriere- und Erwerbschancen“72 gab.
Nicht einmal Ernst Fischer, der in den literaturpolitischen Diskussionen im
Osten (z. B. mit der Kafka-Konferenz auf Schloss Liblice im Mai 1963), zwischen
den restriktiven Positionen des sozialistischen Realismus und den modernen
Strömungen des Westens u. a. in Kunst und Koexistenz (1964) zu vermitteln
begonnen hatte,73 findet sich unter den Eingeladenen. Generell wurden auch kei-
ne Bücher, die im kommunistischen Globus-Verlag erschienen, vorgestellt.74
segensreich und unentbehrlich“. Hans Weigel, Der Monat und der Kongress für kulturelle Frei-
heit. In: Wolfgang Straub (Hg.): Hans Weigel. Kabarettist, Kritiker, Romancier, Literaturmanager.
Innsbruck, Wien, Bozen: Studien-Verlag 2014 (= Archiv der Zeitgenossen: Schriften 2), S. 63–80.
70 Vgl. Hans Weigel: „Ora et collabora“. Österreichische Rückversicherung im Sektor „Kulturleben“.
In: Salzburger Nachrichten, 14./15.
Juni 1952, S. 12; wiederabgedruckt in: Ders.: Ad Absurdum.
Satiren, Attacken, Parodien aus drei Jahrzehnten. Graz, Wien, Köln: Styria 1980, S. 36–42.
71 Vgl. Walter Wippersberg: Ausgegrenzt, totgeschwiegen und diffamiert? Franz Kain, Karl Wie-
singer und die Linzer Literaturszene in der Nachkriegszeit. In: Alfred Pittertschatscher, Erich
Hackl (Hg.): Linz, Randgeschichten. Wien: Picus 2009, S. 67–115.
72 Thomas Kroll: Kommunistische Intellektuelle in Westeuropa. Frankreich, Österreich, Italien
und Großbritannien im Vergleich (1945–1956). Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2009 (= Indust-
rielle Welt 71), S. 312, 335.
73 Vgl. Maximilian Graf, Michael Rohrwasser: Die schwierige Beziehung zweier Bruderparteien.
SED, KPÖ, Ernst Fischer und Franz Kafka. In: Jochen Staadt (Hg.): Schwierige Dreierbezie-
hung. Österreich und die beiden deutschen Staaten. Frankfurt/M. [u. a.]: Lang 2013 (= Studi-
en des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin 18), S. 137–177.
74 Vgl. Richard Dove: Eine andere Besetzung? Drei Emigranten und das Nachkriegsösterreich:
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
100 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437