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Krieg zu tun, der den österreichischen Literaturbetrieb polarisierte. Denn dort,
wo jede Position die außerhalb der gesellschaftlichen Normen lokalisiert wird,
mit Misstrauen betrachtet und literaturpolitische Debatten ein politischer Stem-
pel aufgedrückt wird, ist auch das literarische Feld betroffen: „Auf eine merk-
würdige Weise“, so hat Michael Rohrwasser bezüglich dieses politischen Ver-
dachts hinsichtlich der „Wiener Gruppe“ konstatiert, „verschmelzen politischer
Aktionismus und literarische Avantgarde“.125
Gerhard Rühm hat sich daran erinnert, dass sich etwa seit 1959/60 das Kol-
lektiv „Wiener Gruppe“ allmählich aufzulösen begann und „1964 entfaltete jeder
seine eigenen aktivitäten, notwendige veränderungen bahnten sich an“.126 Oswald
Wiener, der den Arbeiten der Gruppe skeptischer gegenüberzustehen begann,
wurde von Konrad Bayer animiert, seinen Roman die verbesserung von mittel-
europa fertigzustellen. Schließlich erfolgte mit der kinderoper, die am 10. April
1964 aufgeführt wurde, die letzte Gemeinschaftsarbeit der Gruppe: „achleitner
wandte sich wieder ganz der architekturtheorie zu. bayer zog sich nach schloss
hagenberg in niederösterreich zurück, um seinen roman zu ende zu schreiben.
wiener hatte einen job bei olivetti und arbeitete an der ‚verbesserung von mit-
teleuropa‘“, und Rühm übersiedelte nach Berlin.127
Dass die ÖGL mit dem Auftritt von Mitgliedern der „Wiener Gruppe“ die
kulturpolitischen Rahmenbedingungen, wenn schon nicht brach, so doch zu
einer Verschiebung derselben beitrug, sei festgehalten. 1965 las Oswald Wiener
aus dem im Schweizer Walter-Verlag postum veröffentlichten Werk der kopf des
vitus bering von Konrad Bayer, der im Oktober 1964 Suizid begangen hatte. 1968
betrat Gerhard Rühm das Podium, der die Buchdokumentation über die „Wie-
ner Gruppe“ vorstellte sowie den Band fenster, der seine wichtigsten Texte aus
den Jahren 1955 bis 1966 versammelte. Beide Bücher waren bei Rowohlt erschie-
nen. Einem Rezensenten zufolge war Rühms Lesung „ein Treffen unter guten
Bekannten und wieder einmal ein komplett voller Saal“ und konstatierte, dass
die literarische Avantgarde zuletzt „auch in Wien gesellschaftsfähig geworden“
getreten…“: Die Wiener Gruppe. Literatur und Avantgarde in den fünfziger Jahren. In: Ger-
hard Jagschitz, Klaus-Dieter Mulley (Hg.): Die ‚wilden‘ fünfziger Jahre: Gesellschaft, Formen
und Gefühle eines Jahrzehnts in Österreich. St. Pölten, Wien: Niederösterreichisches Presse-
haus 1985, S. 284–288, hier S. 294.
125 Michael Rohrwasser: „manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht / velwechsern. /
werch ein illtum!“ Avantgarde und Kalter Krieg. In: Thomas Eder, Juliane Vogel (Hg.): ver-
schiedene sätze treten auf. Die Wiener Gruppe in Aktion. Wien: Zsolnay 2008 (= Profile 15),
S. 65–86, hier S. 73 f.
126 Gerhard Rühm: das phänomen ‚wiener gruppe‘ im wien der fünfziger und sechziger jahre. In:
Peter Weibel (Hg.): die wiener gruppe. ein moment der moderne 1954–1960. die visuellen
arbeiten und aktionen. Wien, New York: Springer 1997, S. 17–31, hier S. 29.
127 Ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 115
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437