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zu viert. Kraus, Fritsch, Zerling und ich. Journalisten u[nd]. viele Autoren. Auch
Lernet[-Holenia], Hilde Spiel, [Werner] Riemerschmid etc. Nachher noch viele
Gespräche. ‚Ich sehe viel alte junge Dichter, ich bin ein junger alter!‘ Kraus: Ein
Jahr Literaturzeitschrift gilt sieben Lebensjahre. ‚Hundejahre‘, sage ich darauf.“247
Wenige Monate später sollte die Existenz der Zeitschrift durch eine unvor-
hergesehene Affäre bedroht werden: „[V]on der Weikert-Katastrophe wirst Du
ja gelesen haben“, schrieb Kraus an Herbert Zand. „So erschütternd das ist, wir
sind selbst nicht betroffen, obwohl man es später schon noch verspüren wird.“248
Mit dieser „Katastrophe“ bezieht sich Kraus auf folgenden Sachverhalt, der als
Straftat vor Gericht kam: Alfred Weikert wurde vorgeworfen, Gelder des Bun-
desministeriums für Unterricht veruntreut zu haben, denn er war nicht nur
Beamter, sondern auch ein „Mann von Ideen und Verbindungen“249 und hatte
für seine Herausgeber-, Konsulenten- und Autorentätigkeit für den Stiasny-Ver-
lag Honorare von ungefähr einer Million Schilling bezogen. Problematisch war
dies insofern, als die Sektion des Unterrichtsministeriums, der Weikert vorstand,
Stiasny üppiger subventionierte als alle anderen heimischen Verlage, nämlich
mit ca. 4,2 Millionen Schilling im Jahr.250 Die Frage war also, ob Weikert sich des
Missbrauchs der Amtsgewalt und Geschenkannahme schuldig gemacht hatte
und ob ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Stiasny-Subventionen und
der Weikert-Honorare bestand. Im Jänner 1970 wurde Weikert dann nach der
zweiten Hauptverhandlung schuldig gesprochen.251
Durch die „Affäre Weikert“ wurde die Existenz von „Wort in der Zeit“ finan-
ziell und organisatorisch gefährdet und damit ein zentrales kulturpolitisches
Organ, weshalb die Literaturbetriebsfunktionäre sofort reagierten. Viktor Mate-
jka, der den Prozess genau beobachtet hatte,252 schrieb knapp fünfzehn Jahre
247 Rudolf Henz: Tagebuch, 9. Februar 1965, NL RH.
248 Wolfgang Kraus an Herbert Zand, 21. Oktober 1965, NL HZ.
249 Vgl. Wochenpresse, 27. Oktober 1965.
250 Ebd.
251 Vgl. N.
N.: Der Fall Weikert. In: Wochenpresse, 27.
Oktober 1965; N.
N.: Brandstiftung im Sti-
asny-Verlag: Zusammenhang mit Weikert-Affäre? In: Express, 27. Dezember 1965; Herbert
Zinnebner: Sektionschef Weikert muss doch noch sitzen. In: Express, 29. Jänner 1970: „Im
ersten Prozeß wurde der Sektionschef freigesprochen. Die höchste Instanz hob jedoch den
Freispruch auf.“; N. N.: Kerkerstrafe für Weikert bestätigt. In: Die Presse, 29. Jänner 1970.
252 Viktor Matejka: Nicht nur im Museum ist‘s Finster. In: Tagebuch 17 (1966), H. 1. „Ein korrup-
ter Sektionschef im Unterrichtsministerium, die rechte Hand Drimmels und Ehren-Cver, wur-
de plötzlich vom Dienst suspendiert. Seine Abteilung unterstützte mit einer regelmäßigen Jah-
ressubvention von über einer Million Schilling den Grazer Stiasny-Verlag, von dem er für
sogenannte Konsulententätigkeit im Laufe einiger Jahre rund eine Million Schilling kassierte.
Vor drei Jahren rief ich in einer Diskussion der [ÖGL] diesem Literatur- und Sichselbstförde-
rer zu: ‚Wechseln Sie den Verlag! Geben Sie die Subvention einem tüchtigen Verlag, der für
systematische Massenverbreitung der Bücher sorgt und sich nicht mit Kleinstauflagen begnügt!
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
150 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437