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1963 erfolgte die Trennung von de Mendelssohn. Bereits ein halbes Jahr vor
ihrer endgültigen Rückkehr besuchten Spiel und Hans Flesch-Brunningen Kraus
in der ÖGL, und „zwar mit dem Hinweis, daß ein außerordentlich wichtiges
Thema zu besprechen sei“, denn „beide seien fast entschlossen, London zu ver-
lassen und nach Wien heimzukehren, aber eben nur fast. London habe ihnen,
wie so vielen anderen Schutz und eine gute Existenz geboten, doch wollten sie
eigentlich die späteren Jahre lieber in Österreich verbringen“.338 Kraus versuch-
te, so „offen und so subjektiv“ wie ihm möglich war, zu antworten, da ihm die
Problematik des Exils und der Rückkehr vertraut war. Vor dem literarischen
Leben in Wien „empfahl ich große Vorsicht“: Wenn es ihr gelinge, sich in Wien
aus den gegenseitigen Feindseligkeiten, Intrigen, politischen Differenzen her-
auszuhalten, was gerade ihnen beiden gelingen müsste, dann könne man in Wien
herrlich leben.339
Die ÖGL half Spiel auch bei ihrem Wiedereinbürgerungsansuchen, da das
Bundesministerium für Unterricht bereits mündlich zugesagt hatte, dass „vom
Ministerium aus das Staatsinteresse an der Wiedereinbürgerung bescheinigt“340
worden war. Spiels Ansuchen wurde durch die ÖGL an das Ministerium, mit
einem Begleitschreiben übermittelt, das den Betreff „Bescheinigung des Staat-
sinteresses an der Wiedereinbürgerung von Frau Prof.
Dr.
Hilde Spiel“ trug: „Wir
gestatten uns, beiliegend den Durchschlag eines Gesuches um Wiedereinbürge-
rung zu überreichen […]. Hilde Spiel hat sich während ihrer Tätigkeit in Eng-
land stets aufs wärmste für die Interessen ihres Geburtslandes eingesetzt, und
diese Tätigkeit seit ihrer Rückkehr nach Wien womöglich noch intensiviert.“341
Mit Hilfe von Außenminister Bruno Kreisky erhielt sie eine Wohnung im Wäh-
ringer Cottage und gehörte ab 1969 auch der von Kraus 1969 begründeten Ger-
hard-Fritsch-Stiftung an, die jährlich Stipendien vergab.
Wenige Monate vor Spiels Tod im November 1990 hält Kraus in seinem Tage-
buch fest, dass „mit Hilde Spiel […] wieder ein Stück meiner Literaturwelt seit
1961“ verschwinde, „jemand, der meine Tätigkeit sehr gut kannte, sie mündlich
oft lobte, bewunderte, mir dafür dankte“.342
338 Wolfgang Kraus: Spiegelbilder. In: Neunzig, Schramm (Hg.): Hilde Spiel, S. 135–137, hier
S. 135 f.
339 Ebd.
340 Hella Bronold an die Wiener Landesregierung, 17. Juli 1964, ÖGL-Archiv.
341 Hella Bronold an das Bundesministerium für Unterricht, 17. Juli 1964, ÖGL-Archiv.
342 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 21. September 1990, NL WK.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 173
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437