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Kunst und Kultur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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die Zeit Kakaniens keineswegs“, vielmehr postuliert Kundera, dass die Habsbur- ger Monarchie „ihre historische Mission“ nicht begriffen habe, eben „aus Mit- teleuropa eine Föderation gleichberechtigter Nationen zu bilden“.43 Der Begriff wurde auch von Václav Havel propagiert, um die Option einer parallelen gesell- schaftlichen Opposition zu legitimieren, die gegen die nicht-demokratische Rea- lität sprechen sollte, und György Konrad war einer derjenigen Intellektuellen, die für eine „Anti-Politik“ plädierten.44 Wie Tony Judt analysiert, war es Kundera mit diesem Konzept darum gegan- gen, sich an den Westen zu wenden: „[H]is vision of a disappearing Central Europe accords most closely with the revived interest in the general European fin-de-siècle. […] [A]n enthusiasm for the Vienna of Freud, or Kafka’s Prague, cannot help but be bound up in a sense of regret and loss.“45 Gegen Kraus und den von ihm rezipierten und auch distribuierten „Mittel- europa“-Gedanken opponierte Thomas Rothschild in der „Stuttgarter Zeitung“. Er wies darauf hin, dass Kultur „bekanntlich auch und nicht zuletzt ein Wirt- schaftsgut“ sei und mit den „[e]xpansionistischen Tendenzen“ auch eine „Ent- wicklung der Ware Kultur“46 einherginge. Rothschild polemisierte, dass es dann eine „Mitteleuropäische Gesellschaft für Literatur“ mit Sitz im Palais Wilczek und Außenstellen im Palais Lobkowitz und im Budapester Klarissinnenkloster geben würde, deren Leiter dann natürlich Kraus wäre. Obwohl er „eine Offen- sive der Vielfalt“ grundsätzlich befürwortete, plädierte er für eine „Förderung der regionalen Kulturen, eine Rettung all dessen, was den übergreifenden Ten- denzen der Kommerzialisierung, der profitablen Verwertung der Festivalkultur nicht standhalten kann und nicht den mitteleuropäischen Eintopf, das Kultur- gulasch“.47 Kraus veröffentlichte 1993 den Essayband Zukunft Europa, der abermals auf die Idee eines mitteleuropäischen Raumes als Kulturregion rekurrierte: „Die europäische Besonderheit ist eine hoch angesetzte, sehr riskante Identität: Sie wird gebildet durch die Komposition von Gegensätzen; durch die Überwindung der Gegensätze in der Synthese; durch die sich zu einer bunten Einheit fügende Pluralität; durch die in Harmonie aufgehenden Spannungen, die fruchtbaren 43 Paul Michael Lützeler: Paris und Wien oder der kontinentale Grundkonflikt. Zur Konstrukti- on einer multikulturellen Identität in Europa. In: Monika Mokre, Gilbert Weiss, Rainer Bau- böck (Hg.): Europas Identitäten. Mythen, Konflikte, Konstruktionen. Frankfurt/M., New York: Campus Verlag 2003, S. 36–54, hier S. 48. 44 Vgl. Brix: Austria and Central Europe. In: Bischof, Plasser, Pelinka, Alexander Smith (Hg.): Global Austria, S. 204. 45 Tony Judt: The Rediscovery of Central Europe. In: Daedalus 119 (1990), H. 1, S. 23–54, hier S. 47. 46 Thomas Rothschild: Kulturgulasch. In: Stuttgarter Zeitung, 1. Juli 1989. 47 Ebd. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 Kraus als Literaturvermittler 205
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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Title
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Author
Stefan Maurer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23312-1
Size
15.8 x 24.0 cm
Pages
452
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
    1. 1.1 Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 9
    2. 1.2 Biographische Einführung 22
  2. 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
    1. 2.1 Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 48
      1. 2.1.1 Politische Rahmenbedingungen: Österreich nach 1945 49
      2. 2.1.2 Institutionen, Kulturveranstaltungen und Vereine 54
      3. 2.1.3 Zeitschriften und Rundfunk 61
      4. 2.1.4 Literaturpreise und staatliche Förderung 70
      5. 2.1.5 Private Initiativen 71
      6. 2.1.6 Verlagssituation und Buchhandel 74
    2. 2.2 Resümee 78
  3. 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
    1. 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
      1. 3.1.1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖGL 87
      2. 3.1.2 Staatliche Subvention 92
      3. 3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL 94
      4. 3.1.4 Aufgaben und Zielsetzungen der ÖGL 96
    2. 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
    3. 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
    4. 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
    5. 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
    6. 3.6 Forum der Jugend 180
    7. 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
    8. 3.8 Resümee 190
  4. 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
    1. 4.1 Kraus als Literaturvermittler 196
      1. 4.1.1 Modernität und Kontinuität 199
      2. 4.1.2 Diskontinuitäten: 1934–1938–1945 210
      3. 4.1.3 Literatur und Katholizismus 216
      4. 4.1.4 Avantgarde und Provinzialismus 223
    2. 4.2 Der Literaturkritiker Kraus 226
    3. 4.3 Der Literatur-Organisator Kraus 245
      1. 4.3.1 Im Europa-Verlag 245
      2. 4.3.2 „Die Rampe“ 254
      3. 4.3.3 Literatur-Preise 259
    4. 4.4 Polemiken und Kämpfe im Feld 280
    5. 4.5 Resümee 294
  5. 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
    1. 5.1 Elemente einer Kraus’schen Kulturpolitik 302
    2. 5.2 Jenseits der Parteipolitik? 307
    3. 5.3 Die Kulturkontaktstelle 323
    4. 5.4 „Europalia 1988“ 338
  6. 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
    1. 6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 355
    2. 6.2 Die Round-Table-Gespräche der ÖGL 367
    3. 6.3 Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 375
    4. 6.4 Die intellektuellen Dissidenten aus dem Osten 385
  7. 7. RESÜMEE 399
  8. 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
    1. 8.1 Ungedruckte Quellen 403
      1. 8.1.1 Nachlässe 403
      2. 8.1.2 Sammlungen 403
    2. 8.2 Gedruckte Quellen 404
      1. 8.2.1 Zeitungen und Zeitschriften (in Auswahl) 404
      2. 8.2.2 Primärliteratur 404
      3. 8.2.3 Sekundärliteratur 409
  9. 9. PERSONENREGISTER 437
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