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Kunst und Kultur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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würden, geantwortet hatte: „‚Weil sie glauben, dort besser zum Zug zu kom- men.‘“117 Daraufhin setzte sich Jandl gegen diese Unterstellung zur Wehr und stellte dezidiert fest, dass „eine bestimmte Gruppe österreichischer Autoren wie die ‚Wiener Gruppe‘ […] oder Friederike Mayröcker und er selber in Österreich überhaupt keine Chance gehabt hätten“, ihre Werke zu veröffentlichen: „‚Es ist keinesfalls eine Sache der Bezahlung‘“, äußerte Jandl. Kraus, der Jandls Argu- ment „‚schon ziemlich kräftig‘“ fand, gab ihm zum Teil recht, denn Schuld an diesem Zustand sei die verfehlte Literaturförderung des Unterrichtsministeri- ums: „‚Daß österreichische Dichter weiterhin in der überwiegenden Mehrzahl unter die Fittiche deutscher Verlage schlüpfen werden‘“, hielt Kraus dennoch für unvermeidlich, denn „vom kleinen Österreich“ konnte man „nicht verlangen, was nur die k.  u.  k. Monarchie hätte leisten können‘.“118 Obwohl Kraus hier durch- aus beschwichtigend reagierte, sprechen seine Tagebücher eine andere Sprache. So hielt er Jandls Literatur am Beginn der zweiten Hälfte der 1970er Jahre bei einer Lesung in der ÖGL mehr für ein „akustisches als literarisches Phänomen“: „Nichts Neues, er lebt von der Unbildung des Publikums. Aber dieser Beifalls- lärm in bundesdeutschen, natürlich auch bürgerlichen Zeitungen!“119 Mit dem Werk der 1946 geborenen Schriftstellerin Elfriede Jelinek, die zwischen 1974 und 1991 der KPÖ angehört hatte, konnte sich Kraus sowohl aus ideolo- gischen als auch literaturästhetischen Gründen nicht anfreunden: „Gestern Elfrie- de Jelinek ‚Oh Wildnis‘ [, oh Schutz vor ihr] gelesen. Der eitle, selbstbewusste, überhebliche Monolog einer schweren Neurotikerin, die glaubt, sich alles an Einfällen genial erlauben zu können. Was ihr eben einfällt, ist herrlich und wird von Rowohlt sofort gedruckt.“120 Als sie 1986 den Heinrich-Böll-Preis erhielt, war das für Kraus „unfassbar“ und er bezeichnete Jelinek als „Literaturspeku- lantin“.121 Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr (1985), ein Text, der die Tradition der Naturlyrik und der literarischen Landschaftsbeschreibung aufnimmt, diese jedoch unterläuft, indem die Autorin klassische, mystifizierende sowie romantisierende Beschreibungen satirisch verformt, steht in der Tradition des Schmähliedes auf Österreich und problematisiert mit einer „ideologiekritischen Fundamentalkri- tik“122 den Umgang Österreichs mit der eigenen Geschichte sowie die Verdrän- gung der „Schuldfrage“ nach dem Zweiten Weltkrieg: „Es begann eine österrei- chische Weltmeisterschaft im Vergessen, die wir zuerst im Wintersport und zwar 117 N.  N.: Experimente unerwünscht. In: Wochenpresse, 7.  Oktober 1970. 118 Ebd. 119 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 1.  Dezember 1976, NL WK. 120 Ders.: Tagebuch, 14.  Oktober 1985, NL WK. 121 Ders.: Tagebuch, 10.  Juli 1986, NL WK. 122 Cathrine Theodorsen: Jelinek und die Tradition. In: Nordlit (2005), H. 18, S. 235–257, hier S.  249. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 224 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Title
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Author
Stefan Maurer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23312-1
Size
15.8 x 24.0 cm
Pages
452
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
    1. 1.1 Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 9
    2. 1.2 Biographische Einführung 22
  2. 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
    1. 2.1 Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 48
      1. 2.1.1 Politische Rahmenbedingungen: Österreich nach 1945 49
      2. 2.1.2 Institutionen, Kulturveranstaltungen und Vereine 54
      3. 2.1.3 Zeitschriften und Rundfunk 61
      4. 2.1.4 Literaturpreise und staatliche Förderung 70
      5. 2.1.5 Private Initiativen 71
      6. 2.1.6 Verlagssituation und Buchhandel 74
    2. 2.2 Resümee 78
  3. 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
    1. 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
      1. 3.1.1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖGL 87
      2. 3.1.2 Staatliche Subvention 92
      3. 3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL 94
      4. 3.1.4 Aufgaben und Zielsetzungen der ÖGL 96
    2. 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
    3. 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
    4. 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
    5. 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
    6. 3.6 Forum der Jugend 180
    7. 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
    8. 3.8 Resümee 190
  4. 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
    1. 4.1 Kraus als Literaturvermittler 196
      1. 4.1.1 Modernität und Kontinuität 199
      2. 4.1.2 Diskontinuitäten: 1934–1938–1945 210
      3. 4.1.3 Literatur und Katholizismus 216
      4. 4.1.4 Avantgarde und Provinzialismus 223
    2. 4.2 Der Literaturkritiker Kraus 226
    3. 4.3 Der Literatur-Organisator Kraus 245
      1. 4.3.1 Im Europa-Verlag 245
      2. 4.3.2 „Die Rampe“ 254
      3. 4.3.3 Literatur-Preise 259
    4. 4.4 Polemiken und Kämpfe im Feld 280
    5. 4.5 Resümee 294
  5. 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
    1. 5.1 Elemente einer Kraus’schen Kulturpolitik 302
    2. 5.2 Jenseits der Parteipolitik? 307
    3. 5.3 Die Kulturkontaktstelle 323
    4. 5.4 „Europalia 1988“ 338
  6. 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
    1. 6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 355
    2. 6.2 Die Round-Table-Gespräche der ÖGL 367
    3. 6.3 Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 375
    4. 6.4 Die intellektuellen Dissidenten aus dem Osten 385
  7. 7. RESÜMEE 399
  8. 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
    1. 8.1 Ungedruckte Quellen 403
      1. 8.1.1 Nachlässe 403
      2. 8.1.2 Sammlungen 403
    2. 8.2 Gedruckte Quellen 404
      1. 8.2.1 Zeitungen und Zeitschriften (in Auswahl) 404
      2. 8.2.2 Primärliteratur 404
      3. 8.2.3 Sekundärliteratur 409
  9. 9. PERSONENREGISTER 437
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