Page - 251 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Image of the Page - 251 -
Text of the Page - 251 -
„ein breit angelegtes Panorama Siebenbürgens mit der Vielfalt seiner Menschen,
ihrer Sprache, Religionen und Kulturen“ vereinigte: „Humor, Satire, Weisheit
und Lebensfreude geben dem an merkwürdigen, originellen Persönlichkeiten,
an komischen, absurden und tragischen Ereignissen reichen Gemälde leuchten-
de Farben.“244 Dem Roman wurde sowohl im In- als auch Ausland breite Auf-
merksamkeit zuteil.245 Birkner, geboren 1911 in Kleinschenk (Siebenbürgen,
heute: Cincșor/Rumänien), absolvierte das theologisch-pädagogische Seminar
und legte die Pfarramtsprüfung ab, war zunächst Lehrer und später Pfarrer in
Craiova, der Hauptstadt der Walachei und debütierte 1941 mit Die Straße neben
dem Strom; er übersiedelte in den Banat, veröffentlichte 1944 den Roman Wind
in der Tenne und war ab 1953 als Seelsorger in Hermannstadt tätig. 1956 erschien
im Staatsverlag Bukarest Aurikeln. 1957 erfolgte seine Verhaftung, 1959 im „Kron-
städter Schriftstellerprozess“ seine Verurteilung zu 25 Jahren Zwangsarbeit, aus
der er 1964 entlassen und 1968 mit den übrigen Schriftstellern von den rumä-
nischen Behörden rehabilitiert wurde. Seit 1966 war er in Freiburg im Breisgau
als Krankenseelsorger tätig, wo er 1998 verstarb.
Kraus führte 1973 noch eine literarische Reihe ein, die sich ausschließlich dem
literarischen Nachwuchs widmen sollte, jedoch nach seinem Weggang eingestellt
wurde. Die Reihe „Workshop“ wollte „[p]rofilierte neue Talente“246 vorstellen,
Kraus beschreibt das Vorhaben, „einer jungen literarischen Reihe zum Durch-
bruch zu verhelfen“, als „hartes Brot“.247 Man wollte den Leser bzw. die Leserin
mit einer Literatur konfrontieren, die „‚beide Ränder des Spektrums sichtbar
machen‘ will: Zwischen traditionellem Erzählstil und dem Prosaexperiment
bewegt sich das bisherige Angebot. Junge Autoren, die noch nicht publizieren
konnten, sollen hier ihre Chance bekommen, schon ‚gestandene‘ Literaten sind
jedoch nicht aus der Reihe verbannt“.248 Die schmalen Bände erschienen in einem
langgestreckten Taschenbuchformat in einer Auflage von 3.000 Exemplaren.
Nach Kraus’ Vorstellungen sollten zwei bis drei Bände pro Jahr in zwangloser
244 Waschzettel zu Andreas Birkners: Die Tatarenpredigt. EV-Verlagsarchiv.
245 Es erschienen u. a. folgende Rezensionen: A. W.: o. T. In: Aufbruch [Karlsruhe], 10. Februar
1974; Elisabeth Pühringer: Siebenbürgisches Panorama. In: Arbeiter-Zeitung, 3.
Februar 1974;
Gerda Scholz: Krimtatar und Kirchenpelz. In: Badische Zeitung, 20./21. Oktober 1973; Hein-
rich Zillich: Ein großartiger siebenbürgische-deutscher Roman. In: Condor, Santiago de Chile,
15. Dezember; YF: Andreas Birkner: Die Tatarenpredigt. In: Podium, Nr. 13, August 1974;
Otto F. Beer: Siebenbürgisches Panoptikum. In: Die Presse, 16./17. Februar; Hans Bergel:
Andreas Birkners großer Wurf. In: Siebenbürgische Zeitung [München], 15. September 1973.
246 hom: „Workshop“-Texte. In: Mannheimer Morgen, 7. November 1974.
247 Reinhold Tauber: Das harte Brot der Literatur-Verkäufer. In: Oberösterreichische Nachrichten,
12. November 1974.
248 Ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Der Literatur-Organisator Kraus 251
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437