Page - 271 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Image of the Page - 271 -
Text of the Page - 271 -
derts“.336 In einer Würdigung, die im „Börsenblatt des deutschen Buchhandels“
erschien, kennzeichnete Kraus den Autor und sein Œuvre naturgemäß als emi-
nent politisch: „Sperber sieht die Gegenwart mit allen ihren Drohungen und
Schrecken – aber er ist Optimist. Sein Optimismus ist auf merkwürdige Weise
rational, keineswegs von romantischer und utopischer Art. Pessimismus erscheint
ihm als Abkömmling des Defätismus oder Masochismus.“337
Kraus setzte nach Sperbers Tod am 5.
Februar 1984 sofort alles in Bewegung,
um eine Manès-Sperber-Gesellschaft zu gründen, weshalb er eine Anfrage an
den damaligen SPÖ-Nationalrat Heinz Fischer richtete und um Hilfe bat, denn
diese Gründung war das „einzige, was man noch tun kann, außer ihn oft erwäh-
nen.“338 Wie Kraus Fischer im August 1985 mitteilte, war die Gesellschaft mitt-
lerweile „nicht nur gegründet, sondern sie hatte auch „dank Ihrer Hilfe einen
(leider minimalen) Subventionsantrag erhalten“. Als Sekretärin war Helga Perz
engagiert worden, die bereits im Europa-Verlag bei der Herausgabe der Werke
Sperbers als Assistentin fungiert hatte.339 Maßgeblich für die Stiftung des Prei-
ses war „sowohl die große gesellschaftspolitische Bedeutung des Gesamtwerkes
von Manès Sperber, als auch dessen tiefe Verbundenheit mit Wien“.340
Der mit 100.000 Schilling dotierte Manès-Sperber-Preis war zunächst mit
dem Wissenschaftsministerium verbunden, sollte jedoch später auch mit dem
Unterrichtsministerium assoziiert sein. Kraus, der um Mitglieder warb, darun-
ter Politiker der SPÖ und ÖVP, aber auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller
wie Gertrud Fussenegger, berichtete Bruno Kreisky über die Tätigkeit der Gesell-
schaft:
[S]ehr gerne, aber mit Wehmut, erinnere ich mich an den Empfang, den Sie in
Ihrem Haus einst für Manès Sperber gegeben haben und an die kleine Feier in Ihren
Räumen im Bundeskanzleramt zu Sperbers siebzigsten Geburtstag. Nun kann ich
nur mehr für Sperbers Andenken und die weitere Lebendigkeit seines Werkes sor-
gen, worum ich mich bemühe. Mit Hilfe des Wissenschaftsministeriums und des
Unterrichtsministeriums konnten wir den Manès-Sperber-Preis (der zweijährig
vergeben wird) schaffen. […] Wir haben auch eine Manès-Sperber-Gesellschaft
gegründet, die sich um das Werk und um den Nachlaß kümmert. Meine Frage geht
nun dahin, ob Sie uns die Ehre machen würden, dieser Gesellschaft beizutreten.341
336 Ders.: Aktivität und Weisheit. In: Aufbau, 7. Oktober 1983.
337 Ders.: Ein Erzieher – ernsthaft und aufstörend. In: Börsenblatt des deutschen Buchhandels,
17. Mai 1983, Nr. 39, S. 239–242, hier S. 242.
338 Ders.: Tagebuch, 8. Februar 1984, NL WK.
339 Vgl. Ders. an Heinz Fischer, 27. August 1986, ÖGL-Archiv.
340 N. N.: Manes-Sperber-Preis. In: Vorarlberger Nachrichten, 16. Februar 1984, S. 11.
341 Wolfgang Kraus an Bruno Kreisky, 4. September 1986, ÖGL-Archiv.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Literatur-Preise 271
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437