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schen allein entschieden werden kann“.411 Der Einspruch ging insbesondere von
Ernst Jandl aus, der die GAV nach außen vertrat und von dieser Aktion erst nach-
träglich verständigt wurde. Jandl, erstmals 1966 gemeinsam mit Friederike May-
röcker in der ÖGL aufgetreten (vgl. Kapitel 3.2), war Kraus graduell freundschaft-
lich verbunden. Davon zeugt u. a. ein Brief von Jandl, in dem er sich bei Kraus
für die Befürwortung eines Stipendiums beim Bundesministerium für Unterricht
bedankt,412 sowie eine Ansichtskarte vom November 1981, in der sich Jandl für
das Zustandekommen einer Frankreichreise bedankte.413 Franz Schuh hat retros-
pektiv konstatierte, dass Jandl eine „ausgeprägte Fähigkeit für Trennungen“ gehabt
habe und es verstanden habe, den „Schriftsteller, seine Kunst, von der realpoli-
tischen Sphäre“414 zu trennen. Dies war auch Kraus aufgefallen, der Jandl nicht
ausschließlich wegen seiner sprachexperimentellen Texte schätzte und in seinem
Tagebuch festhielt, dass Jandls „pedantische beamtische Art […] seinen experi-
mentellen und anarchistischen Sprachideen“ widerspreche und er in „seiner Arbeit
offener, reicher, inhaltlicher“415 sein könne.
Der GAV-Protest löste sich rasch auf. Kraus’ Tagebuch kann man entnehmen,
dass sowohl der GAV-Vizepräsident Heimrad Bäcker, als auch deren Präsident
Jandl sich „telefonisch vom Protest dieser Vereinigung gegen mich“ entschuldigt
hätten: „Ein Exekutivkomitee, das für Notfälle selbständig handeln darf, habe
gegen mich statt gegen die Verurteilung V[á]clav Havels protestiert.“416
Die „Affaire Kraus“ sollte die GAV jedoch noch beschäftigen. Franz Schuh
dankte am 1. Juli 1980 als Generalsekretär der GAV ab und Jandl brachte, wie
man einem Protokoll der Vorstandssitzung vom 17. Jänner 1981 entnehmen
kann, einen Antrag auf Abschaffung des GAV-Exekutivkomitees ein und, „um
sicherzustellen, daß der in Wien weilende Vizepräsident an allen Aktivitäten des
Ex[ekutiv].Kom[itees]. beteiligt wird“417, trat er dem Komitee bei.
Auch hier findet man die, in Anlehnung an Schuh bereits erwähnte „Ungleich-
zeitigkeit“ im Literaturbetrieb der 1970er Jahre wieder: Der Konflikt zwischen
einer „harten“ Linie in der GAV, die, ohne dabei zunächst Erfolge zu erzielen,
darauf aus war, bestimmte Persönlichkeiten im Kulturbetrieb zu ersetzen und
einer Haltung, die auf Kooperation und schrittweise Reformen setzte.
411 Franz Schuh: Mitteilung für Vorstandsmitglieder, o. D., GAV-Archiv, 314/S3/1-6, Mappe
314/53/2.
412 Ernst Jandl an Wolfgang Kraus, 14. März 1965, ÖGL-Archiv.
413 Ders. an Wolfgang Kraus, 27.
November 1981, NL WK: „Lieber Wolfgang, unsere Frankreichrei-
se, für deren Zustandekommen wir Ihnen so viel Dank schulden, wurde schon zu Beginn
gekrönt durch das Zusammentreffen mit E. M. Cioran.“ [Hervorhebung im Original.]
414 Schuh: Alleingang und sozialer Sinn, S. 121.
415 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 21. August 1977, NL WK.
416 Ders.: Tagebuch, 6. November 1979, NL WK.
417 Protokoll der Vorstandssitzung vom 17. Jänner 1981, GAV-Archiv, Sign.: 314/S3/4, S. 3.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
286 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437