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Kunst und Kultur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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Page - 295 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945

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Im Zuge der Propagierung seiner österreichischen Literatur war es Kraus stets um mehr als nur eine Literatur zu tun. Er rekonstruierte einen imaginären, poly- phonen literarischen Raum, der eine Nationalliteratur aus dem Geist der Donau- monarchie beschwor und sich als anschlussfähig an den Rest des kleinen Öster- reich nach 1918 erweisen sollte, dem die Zweite Republik – dabei wohlweislich den austrofaschistischen Ständestaat, also die Zeit zwischen 1934 und 1938 umschiffend –, ihre Traditionen verdankte. Während er der zeitgenössischen literarischen Avantgarde eher skeptisch gegenüberstand und den experimentel- len Strömungen generell nur wenig Bedeutung beimaß, favorisierte und propa- gierte er, was ihn von anderen Intellektuellen katholischer Prägung maßgeblich unterscheidet, die klassische Wiener Moderne. Für Kraus sollte sich die jüngere Generation von Autorinnen und Autoren der „Auseinandersetzung mit dem Erbe und die Verwandlung von Vergangenheit in Zukunft“458 widmen, und die- se Aufgabe sah er in den Werken von u. a. Herbert Eisenreich, Humbert Fink, Fritz Habeck oder Peter von Tramin verwirklicht. In der seit den 1950er Jahren vorherrschenden Polarisierung zwischen einer österreichischen Staatsliteratur, die vor allem innerhalb des Landes rezipiert und forciert wurde, und einer „expe- rimentellen Underground-Literatur, die sich im günstigeren literarischen Klima der Bundesrepublik um Kenntnisnahme bemühte“459, zeigt sich Kraus eben als ein Exponent jener prolongierten Tradition, die der Kontinuität einer National- literatur verpflichtet ist und nicht der radikalen Brüche. Kraus arbeitete in der Folge vor allem an einem zwar stark an restaurativen Tendenzen festhaltenden kulturpolitischen Überbau mit, dabei versuchte er aber auf den in den 1950er Jahren „ökonomisch wie kulturell“ eingeschlagenen „fal- sche[n] Kurs“460 korrigierend einzuwirken, indem er etwa in seine Konzepte auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller des Exils integrierte. Er näherte sich mit seinem Wirken zunehmend politischen Strukturen an, die zwar mit Litera- turkritik, Förderungsprinzipien und Preisvergaben in Zusammenhang standen und mit diesen literaturbetrieblichen Praktiken verbunden waren, jedoch ver- stärkt kulturpolitischen Überlegungen zurechenbar sind, die im folgenden Kapi- tel dargestellt werden sollen. Seine Tätigkeit im literarischen Feld führte Kraus dabei in jenes Feld der Macht, dem er eigentlich kritisch gegenüberstand: „Die Gunst eines Beamten, sei es nur eines Ministerialrats, geschweige eines Sektion- 458 Wolfgang Kraus: Koexistenz der Zeiten und Völker. Vergangenheit und Gegenwart der öster- reichischen Literatur. In: Modern Austrian Literature 1 (1968), H. 2, S. 39–42, hier S. 42. 459 Kruntorad: Charakteristika der Literaturentwicklung in Österreich 1945–1967. In: Fischer (Hg.): Literatur in der Bundesrepublik Deutschland, S. 650. 460 Georg Schmid: Die falschen Fuffziger. Kulturpolitische Tendenzen der fünfziger Jahre. In: Frie- dbert Aspetsberger, Norbert Frei, Hubert Lengauer (Hg.): Literatur der Nachkriegszeit und der fünfziger Jahre in Österreich. Wien: ÖBV 1984 (= Schriften des Instituts für Österreichkunde 44/45), S. 7–23, hier S. 10. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 Resümee 295
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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Title
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Author
Stefan Maurer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23312-1
Size
15.8 x 24.0 cm
Pages
452
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
    1. 1.1 Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 9
    2. 1.2 Biographische Einführung 22
  2. 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
    1. 2.1 Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 48
      1. 2.1.1 Politische Rahmenbedingungen: Österreich nach 1945 49
      2. 2.1.2 Institutionen, Kulturveranstaltungen und Vereine 54
      3. 2.1.3 Zeitschriften und Rundfunk 61
      4. 2.1.4 Literaturpreise und staatliche Förderung 70
      5. 2.1.5 Private Initiativen 71
      6. 2.1.6 Verlagssituation und Buchhandel 74
    2. 2.2 Resümee 78
  3. 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
    1. 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
      1. 3.1.1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖGL 87
      2. 3.1.2 Staatliche Subvention 92
      3. 3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL 94
      4. 3.1.4 Aufgaben und Zielsetzungen der ÖGL 96
    2. 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
    3. 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
    4. 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
    5. 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
    6. 3.6 Forum der Jugend 180
    7. 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
    8. 3.8 Resümee 190
  4. 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
    1. 4.1 Kraus als Literaturvermittler 196
      1. 4.1.1 Modernität und Kontinuität 199
      2. 4.1.2 Diskontinuitäten: 1934–1938–1945 210
      3. 4.1.3 Literatur und Katholizismus 216
      4. 4.1.4 Avantgarde und Provinzialismus 223
    2. 4.2 Der Literaturkritiker Kraus 226
    3. 4.3 Der Literatur-Organisator Kraus 245
      1. 4.3.1 Im Europa-Verlag 245
      2. 4.3.2 „Die Rampe“ 254
      3. 4.3.3 Literatur-Preise 259
    4. 4.4 Polemiken und Kämpfe im Feld 280
    5. 4.5 Resümee 294
  5. 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
    1. 5.1 Elemente einer Kraus’schen Kulturpolitik 302
    2. 5.2 Jenseits der Parteipolitik? 307
    3. 5.3 Die Kulturkontaktstelle 323
    4. 5.4 „Europalia 1988“ 338
  6. 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
    1. 6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 355
    2. 6.2 Die Round-Table-Gespräche der ÖGL 367
    3. 6.3 Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 375
    4. 6.4 Die intellektuellen Dissidenten aus dem Osten 385
  7. 7. RESÜMEE 399
  8. 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
    1. 8.1 Ungedruckte Quellen 403
      1. 8.1.1 Nachlässe 403
      2. 8.1.2 Sammlungen 403
    2. 8.2 Gedruckte Quellen 404
      1. 8.2.1 Zeitungen und Zeitschriften (in Auswahl) 404
      2. 8.2.2 Primärliteratur 404
      3. 8.2.3 Sekundärliteratur 409
  9. 9. PERSONENREGISTER 437
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