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schluss über die Rolle des Literaturbetriebsfunktionärs in wechselnden poli-
tischen Konstellationen und sich verändernden Direktiven, denen er sich
immer auch mit zu unterwerfen hatte. Seine kulturpolitischen Konzepte muss-
te Kraus immer wieder aktualisieren, um seine Position im Feld der Macht zu
behalten.
Kraus’ Beziehungen zu hochrangigen Politikern, insbesondere zum ÖVP-Bun-
deskanzler Josef Klaus, wurden bereits gestreift. Wichtig scheinen in diesem
Zusammenhang auch seine Kontakte zu Ministerialräten, die an zentralen Stel-
len der Förderung innerhalb des Zentrums der Macht saßen. Nicht umsonst
wird den österreichischen Ministerialräten ein wesentlicher Einfluss auf ihren
jeweiligen Minister nachgesagt, Christian H. Stifter hat bezüglich der österrei-
chischen Kulturpolitik und deren restaurativer Tendenzen von einer mächtigen
„Ministerialbürokratie“ gesprochen, die die Fäden in der Zweiten Republik in
der Hand gehalten habe und das politische Feld beherrscht habe.4 Kraus’ Stel-
lung innerhalb des Feldes der Macht und seine Position als Konsekrationsins-
tanz der österreichischen Literatur gehorchte durchaus den Prämissen der kul-
turpolitischen Maschinerie, die von den jeweiligen Ministerien, denen er
untergeordnet war, angekurbelt wurde, was nicht nur hinsichtlich kulturpoliti-
scher Weisungen, sondern auch hinsichtlich finanzieller Aspekte zu verstehen
ist.
Kraus stand ab 1975 mit seiner Tätigkeit als Leiter der „Kulturkontaktstelle“
unter Außenminister Erich Bielka-Karltreu innerhalb einer „Befehlskette“, die
zwar seine Stellung im literarischen Feld festigte und ihn nicht nur zum „Impor-
teur“, sondern ebenso zum „Exporteur“ von (österreichischer) Literatur mach-
te, ihm gleichzeitig jedoch die Grenzen seiner literaturpolitischen Arbeit sug-
gerierte: „Im Außenministerium neues Büro. […] Wenn man den Minister und
die Gunst der Politik hinter sich hat, geht vieles gut. Trotzdem höre ich von
Widerständen und werde sie noch zu spüren bekommen.“5
Kraus verantwortete in dieser Funktion die inhaltliche Kulturarbeit aller zehn
ausländischen Kulturinstitute der Republik Österreich und musste sein Handeln
zunächst nur dem Minister gegenüber rechtfertigen. Oft warf man ihm, wie
Kraus in einem Interview zugab „ja auch Einseitigkeit vor, obwohl ich sehr
bemüht bin, Proportionen zu setzen“.6 Doch diese „unerhört unbürokratische,
entsprechend billige und folgenreiche Neuerung“7 wurde 1981 wieder aufge-
4 Christian
H. Stifter: Zwischen geistiger Restauration und Erneuerung. US-amerikanische Pla-
nungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität
österreichischer Wissenschaften 1941–1955. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2014, S. 27.
5 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 26. Juni 1975, NL WK.
6 Bemühe mich, Proportionen zu setzen. Mit Dr. Wolfgang Kraus sprach während des Bern-
hard-Symposiums in Triest Maria Elisabeth Ogris. In: Kleine Zeitung (Graz), 8.
Februar 1977.
7 Vgl. Die Welt (Bonn), 5. Jänner 1987.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
298 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437