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geladen hätte: darunter befinden sich Inge Merkel, Peter Marginter, György
Sebestyén, Matthias Mander, Hilde Spiel, Jutta (heute Julian) Schutting, Barba-
ra Frischmuth, Milo Dor, Kurt Klinger, Hans Weigel sowie Alfred Kolleritsch,
Franz Innerhofer und Wolfgang Bauer. Auch Anna Mitgutsch, Evelyn Schlag,
H. C. Artmann und Peter Handke fanden sich in Kraus’ Aufstellung.
Festzuhalten bleibt aber, dass die Einladungspolitik nicht von Kraus allein
bestimmt wurde. Er berichtete von einer „harten Sitzung“225 mit Herbert Krejci,
dem Generalsekretär des Österreichischen Industrieellenverbandes, an der auch
Franz Ceska, Helene Lamesch und Madou Moulaert teilnahmen. Nachdem die
Industrieellenvereinigung zu den österreichischen Sponsoren der „Europalia“
gehörte, hatte sie hinsichtlich der Veranstaltungen und auch, wer das Land reprä-
sentieren durfte, ein gewichtiges Wort mitzureden. Gerhard Roth, der verstärkt
publizistisch in der „Zeit“ aktiv war und gegen die österreichischen kulturpoli-
tischen Verhältnisse polemisierte, dürfte sich so als Kandidat für die „Europalia“
disqualifiziert haben. Roth hatte Krejci in der „Zeit“ kritisiert, weil in einem
Artikel von Kurt Dieman,226 in der von der Industrieellenvereinigung herausge-
gebenen Zeitschrift „Die Industrie“, jene österreichischen Schriftsteller, „die in
den letzten Monaten Kritik an diesem Land geübt haben, mit der ‚geschickt auf-
gezogenen nationalsozialistischen Tarnorganisation Bund Deutscher Schriftstel-
ler Österreichs‘“ verglichen und die Autorinnen und Autoren aufgefordert hatte,
„dem geistigen Hochverrat heute mehr Widerstand entgegenzusetzen als vor
einem halben Jahrhundert.“227 Die österreichischen Schriftstellerinnen und
Schriftsteller würden, so Dieman, „im Ausland eine beispiellose Verleumdungs-
kampagne gegen ihre Heimat, gegen das freigewählte Staatsoberhaupt und das
ganze österreichische Volk“228 betreiben.
Roth hatte, genauso wie viele andere Autorinnen und Autoren, im Zuge der
Waldheim-Affäre auf politische Ereignisse und Konstellationen im eigenen Land
zu reagieren begonnen, was in den österreichischen Medien zu Diffamierungen
225 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 22. Mai 1987, NL WK.
226 Vgl. Kurt Dieman: Gott mit Dir, mein Österreich! In: Industrie. Offizielles Organ der Vereini-
gung österreichischer Industrieller, 11.3.1987, S. 25.
227 Gerhard Roth: Der unhörbare Trauermarsch. In: Die Zeit, 8. Mai 1987. Wiederabgedruckt in:
Gerhard Roth: Das doppelköpfige Österreich. Essays, Polemiken, Interviews. Frankfurt/M.:
Fischer 1995, S. 43–48. „Österreich will nur sein ‚Image‘ im Ausland verbessern und nicht wirk-
lich seine geistespolitische Situation überprüfen. Während nach außen hin alles unternommen
wird, das Ausland von einem freundlichen, gewinnenden Österreichbild zu überzeugen, machen
in Österreich selbst die Medien Front gegen alle, die sich darüber kritisch geäußert haben, um
sie zum Schweigen zu bringen oder mit Hilfe der Verleumdung zu ächten. Wer Nachdenklich-
keit provozieren will, wird hierzulande als ‚Österreichbeschimpfer‘ bezeichnet.“
228 Dieman: Gott mit Dir, mein Österreich! In: Industrie, 11.3.1987, S. 25.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
„Europalia 1988“ 347
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437