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Dass der Kongress, der dann erst im April 1967 stattfand, von Erfolg gekrönt
war, zeigte die umfangreiche Presseresonanz, die „sich von Oslo und Helsinki
bis Madrid“ erstreckte und „überwiegend positiv“ war, wie Kraus Jeleński
berichtet.79 Während der Literaturkritiker Reich-Ranicki besonders die Abwe-
senheit von Intellektuellen aus der DDR, Rumänien sowie der ČSSR bedauerte,
kritisierte Mary McCarthy, dass die Frage „Tradition und Revolution“ zu dog-
matisch behandelt worden sei. Der Konsens wurde durch den Zagreber Journa-
listen, Lyriker und Übersetzer Zlatko Gorjan gebildet, dem internationale Lite-
raturkongresse geeignet schienen, die ideologischen Differenzen zu überbrücken
und in einen Dialog einzutreten. Der mit Kraus befreundete Leningrader Lite-
raturwissenschaftler Efim Etkind resümierte: „Wollen wir weiter an dieser Brü-
cke bauen, die Ost und West verbindet“.80
Ein weiterer Vorteil, der Kraus aus seiner Verbindung mit dem Pariser Büro des
CFF erwuchs, war das 1957 gegründete „Comité des écrivains et des éditeurs
pour une entr‘aide intellectuelle européenne“, das von Bondy und Jeleński gelei-
tet wurde. Es bündelte jene Aktivitäten des Kongresses, die aus der Unterstüt-
zung der seit 1956 verfolgten ungarischen Intellektuellen herrührten. Das Pro-
gramm umfasste Symposien und sorgte dafür, dass Bücher, die nur im Westen
erhältlich waren, Schriftstellerinnen und Schriftstellern in den kommunistischen
Staaten zugänglich gemacht wurden und half ihnen bei der Publikation von
Büchern und Zeitschriften. Ebenso wie Kraus wandte man sich nicht an offizi-
elle Institutionen im Osten, sondern vor allem an Einzelpersonen, um die
„Authentizität des Austausches zu garantieren“.81 Wie dieser Ablauf funktionier-
te, lässt sich exemplarisch an dem Fall des ungarischen Dramatikers und Wort-
führers des ungarischen Volksaufstandes 1956, Julius Háy ablesen. Im November
1963 wandte sich Kraus an Sperber mit der Bitte, Háy, der vorhatte, „nach unend-
lichen Mühen zum ersten Mal ins westliche Ausland“ zu reisen, zu unterstützen:
„Háy bringt drei neue, bisher noch unpublizierte Stücke mit nach dem Westen
[und] wird voraussichtlich Anfang Dezember nach Paris kommen und es wäre
überaus liebenswürdig von Ihnen, wenn Sie ihn empfangen könnten. Soweit ich
es beurteilen kann, ist er zu einer uns sehr nahestehenden Haltung gelangt, und
es wäre in jeder Hinsicht wichtig, ihm im Westen Kontakte zu schaffen“.82 Sper-
ber griff sofort ein, „damit Ihr Protegé Julius Hay vom Kongress der kulturellen
Freiheit in Muenchen aufs allerbeste empfangen, geehrt und Muenchener Intel-
79 Ders. an Konstanty A. Jeleński, 26. Mai 1967, ÖGL-Archiv.
80 Salzburger Nachrichten, 28. April 1967, NL WK.
81 Ulrike Ackermann: Sündenfall der Intellektuellen. Ein deutsch-französischer Streit von 1945
bis heute. Stuttgart: Klett-Cotta 2000, S. 107.
82 Wolfgang Kraus an Manès Sperber, 5. November 1963, NL WK.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
374 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437