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Forschungsansatz – methodisch-theoretische Aspekte
Im Zusammenhang der historischen Rekonstruktion der US-Reorientierungs-Konzep-
te und deren Implementierung im Bereich des akademisch-universitären Wiederaufbaus in
Österreich ging es vor allem um eine möglichst konzise Argumentation , um eine verlässli-
che Analyse und Interpretation der Quellen , um ein konsistentes Begriffs- und Ordnungs-
system sowie um die kohärente Verbindung von Makro- und Mikroanalysen , durch die
sich Institutionen-Logiken ebenso wie die spezifischen Handlungsdispositionen einzelner
Akteure und Akteursgruppen nachzeichnen lassen.
Obwohl die hier behandelte Themenstellung somit auch Schnittflächen zu den histo-
rischen beziehungsweise kulturanthropologischen Untersuchungsfeldern der sogenannten
„Amerikanisierung“28 beziehungsweise „Westernisierung“29 aufweist , die im Übrigen kei-
neswegs immer klar und nachvollziehbar definiert werden30 und zuweilen auch zu diffusen
Explanationen führen ,31 bilden die damit verknüpften methodischen und theoretischen
28 Zum Begriff der „Amerikanisierung“, der sich in der Regel auf den US-Kulturtransfer im weitesten Sinne
bezieht , wie bspw. Werthaltungen , gesellschaftliche Normen , Verhaltensweisen , Institutionen oder Sym-
bole , siehe u. a. : Alf Lüdtke / Inge Marßolek / Adelheid von Saldern ( Hrsg. ), Amerikanisierung. Traum und
Alptraum im Deutschland des 20. Jahrhunderts (= Transatlantische Historische Studien , Bd. 6 ), Stuttgart
1996 ; Konrad Jarausch / Hannes Siegrist ( Hrsg. ), Amerikanisierung und Sowjetisierung in Deutschland
1945–1970 , Frankfurt a. Main 1997 ; Egbert Klautke , Unbegrenzte Möglichkeiten. „Amerikanisierung“
in Deutschland und Frankreich ( 1900–1933 ) (= Transatlantische Historische Studien , Bd. 14 ), Stuttgart
2003 ; zuletzt : Reiner Marcowitz ( Hrsg. ), Nationale Identität und transnationale Einflüsse. Amerikanisie-
rung , Europäisierung und Globalisierung in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg , München 2007.
29 Der Begriff Westernisierung , der „Westintegration“ mitumfasst , referenziert auf die bi- oder multilate-
rale ordnungspolitische Erweiterung der Amerikanisierung sowie auf die Ausbildung einer , wie Anselm
Doering-Manteuffel formuliert , „gemeinsamen Wertordnung in den Gesellschaften diesseits und jensseits
des Nordatlantik“. Anselm Doering-Manteuffel , Wie westlich sind die Deutschen ? Amerikanisierung und
Westernisierung im 20. Jahrhundert , Göttingen 1999 , 13. Siehe weiters : Theodore H. Laue , The World
Revolution of Westernization. The 20th Century in Global Perspective , New York 1987 ; Eckart Conze ,
Wege in die Atlantische Gemeinschaft. Amerikanisierung und Westernisierung in Westeuropa nach 1945.
In : Reiner Marcowitz ( Hrsg. ), Nationale Identität und transnationale Einflüsse. Amerikanisierung , Euro-
päisierung und Globalisierung in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg , München 2007 , 72 ff. ; sowie :
Vanessa Conze , Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition
und Westorientierung ( 1920–1970 ), München 2005. Für Österreich gaben Günter Bischof und Anton
Pelinka einen ersten Band zum Themenkomplex heraus , der jedoch inhaltlich und methodisch überaus
heterogen ist und bedauerlicherweise auf theoretische Erklärungsansätze und semantische Auslotung der
verwendeten Titelbegriffe weitgehend verzichtet. Günter Bischof / Anton Pelinka ( Eds. ), The Americani-
zation / Westernization of Austria , New Brunswick 2004.
30 So verwendet bspw. Michael Hochgeschwender explizit den Begriff „Westernisierung“, da es nicht um For-
mierung einer politisch-militärisch-ökonomischen Hegemonie geht , sondern „um die ideologische Flankie-
rung dieser eng miteinander verschränkten Prozesse auf der Ebene der Hochkultur“. Michael Hochgeschwen-
der , Freiheit in der Offensive ? Der Kongress für kulturelle Freiheit und die Deutschen , Tübingen 1996 , 36.
31 So meint etwa Günter Bischof , dass erst die US-Militärpräsenz nach Ende des Zweiten Weltkriegs die
Grundlage für die Ankunft der amerikanischen Populärkultur bereitet hätte : „The American global military
presence during the Cold War – in postwar occupation regimes and through a global ring of military bases
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741