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Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlandsund Österreichs
dann von der am 13. April 1917 von Wilson eigens eingerichteten US-Propaganda-Ab-
teilung , dem „Creel Committee“, das in der Folge regelrechte Gräuelpropaganda betrieb.
Eine Woche nachdem der US-Kongress die Kriegserklärung abgegeben hatte , erließ US-
Präsident Woodrow Wilson die „Executive Order No. 2594“, wonach ein „Committee on
Public Information“ einzurichten war , um im Inland Unterstützungsbereitschaft für die
militärische Intervention zu gewinnen und die Kriegsziele der Vereinigten Staaten pub-
lik zu machen. Das unter Leitung des US-Journalisten George Creel stehende Gremium
existierte bis Kriegsende und produzierte mit seinem rund 150. 000 [ sic ] umfassenden Mit-
arbeiterstab Tonnen von Büchern , Plakaten , Fotos und Flugzetteln , die hinter den feindli-
chen Linien abgeworfen wurden und die Moral schwächen sollten.291
Interessanterweise maß Creel , der die ideologischen Grundlagen der Kriegspropagan-
daaktivitäten 1920 in einem Buch mit dem Titel „How we advertised America“ zusam-
menfasste , der Herausforderung des neugeschaffenen Propaganda-Komitees die nahezu
gleiche Bedeutung bei wie Siegen oder Niederlagen an der Westfront. Innerhalb Ame-
rikas zielte der propagandistische „fight for the mind of men“292 vor allem darauf , die
Meinung der Bevölkerung zu gewinnen293 – „the battle-line ran through every home in
every country“294. Im Unterschied zu allen bisherigen Kriegen sei dieser Waffengang je-
doch , wie Creel ausführte , neben allen militärischen und politischen Aspekten , auch und
vor allem ein tiefgehender Kampf um die kulturellen und moralischen Grundlagen der
zivilisierten Welt :
291 Siehe : Rober E. Elder , The Information Machine. The United States Information Agency and American
Foreign Policy , Syracuse / New York 1968 , a. a. O., 34 ; zum „Creel Committee“ siehe insbesondere : Holger
Ohmstedt , Von der Propaganda zur Public Diplomacy. Die Selbstdarstellung der Vereinigten Staaten von
Amerika im Ausland vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Kalten Krieges , Diss., Ludwig-Maximili-
ans-Universität München 1993 , 35 ff. ; weiters : Schuhmacher , Kalter Krieg und Propaganda , a. a. O., 41 ff. ;
ein konzise Darstellung dieser ersten US-Informations- bzw. -Propagandaeinrichtung findet sich bei :
Gregg Wolper , The Origins of Public Diplomacy : Woodrow Wilson , George Creel , and the Committee
on Public Information , Diss., University of Chicago 1991.
292 George Creel , How we advertised America. The first telling of the amazing story of the Committing on
Public Information that carried the Gospel of Americanism to every corner of the Globe , New York 1920 ,
3. Der Text ist online abrufbar unter [ Zugriff am 29. 7. 2011 ] :
http://www.archive.org/stream/howweadvertameri00creerich/howweadvertameri00creerich_djvu.txt1991.
293 In diesem Zusammenhang schrieb Creel : „A wave of national feeling might carry us into the war and na-
tional passions and hatred might whip us on , but froth and dregs would be the only ultimate result. Such
methods might carry a mob a city block to tear something down , but they would not bear a self-deter-
mining democracy along the road of travail and uttermost sacrifice for great ideals. Could we count on a
national understanding of such ideals ? Could we be sure that a hundred million the fathers , the mothers ,
the children of America , alien born and native alike understood well enough so that they would support
one loan after another , would bear new burdens of taxation and send wave after wave of America’s young
manhood to die in Flanders fields ?“ Creel , How we advertised America , a. a. O., 99.
294 Creel , How we advertised America , a. a. O., 3.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741