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„Our Country’s Call to Service“
Americans , may be an ideal and noble system of life , but democracy as practiced by Anglo-
Americans is stained with the bloody guilt of racial persecution and exploitation.“539
Das vielschichtige Problem der Diskriminierung von Minderheiten im eigenen Land ,540
an vorderster Stelle die Diskriminierung der „Negroes“,541 bedeutete angesichts der auf de-
mokratische Selbstvergewisserung angelegten „Education at War“ eben nicht nur ein poli-
tisches und motivationales Problem im Hinblick auf die angestrebte nationale Einigung im
Kampf gegen Nationalsozialismus und Faschismus , sondern stellte darüber hinaus auch die
Glaubwürdigkeit542 der zu verteidigenden demokratischen Werte der „free world“ in Frage ,
denn schließlich : „The American Dream is the dream of the Negro. The dream of the Negro
is the dream of an America which guarantees [ … ] all rights for all.“543 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Es überrascht daher nicht , dass sich in jenen Jahren vermehrt Studien und Berichte
kritisch mit der Gleichstellung der Afroamerikaner in den USA , deren unzureichenden
Bildungsmöglichkeiten ,544 mit allgemeinen Fragen interkultureller Erziehung sowie mit
„Rasse“-Vorurteilen befassten ,545 und
– angesichts des NS-„Rassen-Mythos“ vom „ ‚superi-
539 The Negro’s War. In : Fortune , XXV , June , 1942 , 77. Zit. nach : Education in Wartime and After , a. a. O., 65.
540 Siehe dazu : Matthew Pratt Guterl , The Color of Race in America , 1900–1940 , Cambridge / Mass. 2001.
541 Die ungleiche Ausgangssituation zwischen „Weißen“ und „Farbigen“ verdeutlicht u. a. auch die Statistik
der Zurückstellung von Rekruten aufgrund von Wehruntauglichkeit , die am 1. Dezember 1944 veröf-
fentlicht wurde : von insgesamt 4. 458. 000 Registrierten ( 3. 588. 000 „white“ und 870. 000 „Negroes“ ) im
Alter zwischen 18–37 Jahren wurden nur in der Kategorie „geistig-intellektuelle Schwächen“ ( „Mental
deficiency“ ) prozentuell signifikant mehr Afro-Amerikaner abgewiesen ( 32,1 % gegenüber 9,5 % bei den
„Weißen“ ), in allen anderen Kategorien wie bswp. „Manifestly disqualifying defects“ ( 7,3 % zu 11,3 % ),
„mental diseases“ ( 10,2 % zu 18,7 % ), „Physical defects“ ( 48,9 % zu 59 ,% ) sowie „Nonmedical“ ( 1,5 % zu
1,5 % ) schnitten die Afro-Amerikaner besser ab bzw. lagen gleich auf. Vgl. Kandel , The Impact of the War
upon American Education , a. a. O., 43.
542 „The fact that America denies tolerance , freedom , and equality of opportunity to large numbers of Ame-
rican citizens in our minority groups has , of course , made us vulnerable to charges from our enemies that
we do not practice the democratic ideal which we preach.“ Education in Wartime and After , a. a. O., 65.
543 L. D. Reddick , The Negro in the Building of America. In : School and Society , Vol. 53 , February 8 , 1941 , No.
1363 , 164.
544 So hatte bereits 1934 eine Studie des State Department of Education in Mississippi ergeben , dass 1. 428
von insgesamt 3. 737 Schulen für Afroamerikaner in privaten Unterkünften wie z. B. in Zelten , Kirchen-
gebäuden untergebracht wären und von den insgesamt 5. 930 Lehrkräften lediglich 600 über eine Bildung
knapp über dem High School Niveau verfügten. Vgl. Leon Eubanks , Negro Education in the South. In :
School and Society , Vol. 53 , February 1 , 1941 , No. 1362 , 152 f. ; weiters siehe folgende vom „National Coun-
cil of Education“ herausgegebene Studien : Charles S. Johnson , Growing Up in the Black Belt. Negro
Youth in the Rural South , Washington D.C. 1941 ; W. Lloyd Warner / Buford Helmholz Junker / Walter
A. Adams , Color and Human Nature. Negro Personality Development in a Northern City , Washington
D.C. 1941 ; Edward Franklin Frazier , Negro Youth at the Crossways. Their Personality Development in
the Middle States , Washington D.C. 1940.
545 So z. B. Robert E. Park , The Bases of Race Prejudice. In : Annals of the American Academy of Political and
Social Science , CXXXX , November 1928 , 11–20 ; Elaine Ogden McNeil / Horace R. Cayton , Research
on the Urban Negro. In : American Journal of Sociology , Vol. XLVII , September 1941 , No. 2 , 176–183 ;
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741